taz.de -- Kommentar Bundestags-Digitalausschuss: Valium für Netzpolitiker
Netzpolitik ist en vogue. Gut, dass auch der Deutsche Bundestag dafür einen eigenen Ausschuss betreibt. Taugt er? Leider nicht.
Das EU-Parlament [1][stellt sich überraschend klar] gegen die großflächige Einführung von Überholspuren im Netz, der Europäische Gerichtshof stoppt die geplante staatliche Datensammelwut, die ursprünglich die EU-Kommission den Mitgliedsländern aufdrücken wollte, und Nutzer in Deutschland bangen, ob auch ihre digitalen Identitäten zu den 18 Millionen Datensätzen gehören, die Kriminelle illegal zusammenkopiert haben – mit anderen Worten: Netzpolitik ist en vogue.
Gut, dass auch der Deutsche Bundestag für all diese Entwicklungen inzwischen [2][einen eigenen Ausschuss betreibt.] Aber ist dieses Gremium für „Digitale Agenda“, das seit Februar im Parlament agiert, auch wirklich zu gebrauchen? Das ist leider mitnichten so.
Der jüngste Ausschuss in der Geschichte des deutschen Parlaments entpuppt sich nämlich mehr und mehr als reines Valium für Netzpolitiker, als eine Art der Beschäftigungstherapie für die jüngste politische Spezies, nach dem Motto: Habt bloß keine Energie mehr, den Innenpolitikern das Leben schwer zu machen. Die nämlich stellen allzu oft ihren Sicherheitswahn vor den Datenschutz.
Wollte man den Digitalausschuss aufs Wesentliche reduzieren, bliebe dies übrig: das große Nichts. In einer Zeit, in der die Spielregeln für das digitale Zeitalter gesetzt werden, hat ausgerechnet der Ausschuss, der für dieses Feld eigens angelegt wurde, keine Federführung inne – nicht für den Datenschutz, nicht für den Breitbandausbau, nicht für die Vorfahrtsregeln im Netz. Der Ausschuss für „Digitale Agenda“ ist bei all diesen Themen zwar über die Mitberatung irgendwie dabei, aber nicht mittendrin.
Der Ausschussvorsitzende, der Christdemokrat Jens Koeppen, will sich die Federführung nun „erarbeiten“, wie er sagt. Wenn das dann nicht zu spät ist.
11 Apr 2014
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