taz.de -- Entführte Schülerinnen in Nigeria: Mit der Air Force gegen Boko Haram

US-Aufklärungsflugzeuge und Experten sollen bei der Suche nach den Schulmädchen helfen. Dem nigerianischen Militär allein traut niemand die Rettung zu.
Bild: In der Gewalt von Boko Haram: die entführten Schülerinnen in einem mit dem Logo der Terroristen gekennzeichneten Video.

ABUJA taz | Jetzt sollen die USA in Nigeria ran. Nach mehrtägigen Diskussionen über eine mögliche Zusammenarbeit bei der Suche nach den mehr als 200 entführten Schülerinnen ist nun ein 30-köpfiges Expertenteam aus den Vereinigten Staaten in der nigerianischen Hauptstadt Abuja eingetroffen, berichtet die BBC.

Um die Schülerinnen zu finden, die vor vier Wochen von Mitgliedern der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram entführt worden waren, sollen nun US-Aufklärungsflugzeuge eingesetzt werden. Von diesen aufgenommene Fotos sollen gemeinsam mit nigerianischen Experten ausgewertet werden.

Unterstützung bei der Suche gibt es auch von Großbritannien, China, Frankreich und Israel. Frankreichs Präsident François Hollande plant außerdem einen Sicherheitsgipfel mit Nigeria und den angrenzenden Staaten.

Möglich gemacht haben das zwei Erpresservideos von Boko Haram – und die große Twitter- und Facebook-Kampagne „[1][#BringBackOurGirls]“. Mithilfe dieser wird der auch für Nigeria unglaubliche Entführungsfall weltweit diskutiert. Gerade zeigten sich Amerikas First Lady, Michelle Obama, sowie der britische Premierminister David Cameron öffentlich mit dem Slogan im Fernsehen.

Mit den beiden Videos ist es der Boko Haram allerdings auch gelungen, so viel Druck auf die nigerianische Regierung auszuüben wie nie zuvor, indem sie zuerst drohte, die Mädchen verkaufen zu wollen. Am Montag hieß es schließlich, sie müssten zum Islam konvertieren.

Außerdem forderte Boko Haram quasi einen Gefangenenaustausch: entführte Schülerinnen gegen inhaftierte Islamisten. Von Seiten der Regierung soll es am Dienstagmorgen geheißen haben, dass man nicht darauf eingehen werde.

Internationale Hilfe ist willkommen

Die internationale Unterstützung könnte für die Strategie sprechen, die Mädchen doch noch auf anderem Wege zu finden. Ohnehin war der von der Terrorgruppe vorgeschlagene Deal in Nigeria auf ein geteiltes Echo gestoßen. Vorrangiges Ziel gerade von Menschenrechtsgruppen ist es zwar, die Mädchen – wie auch immer – lebend und unversehrt zu ihren Familien zurückzubringen.

Andererseits wären ersten Erfolge im Kampf gegen Boko Haram – nämlich die Festnahmen mutmaßlicher Terroristen – hinfällig. Ohnehin gibt es in Nigeria Zuspruch für die internationale Hilfe. Präsident Goodluck Jonathan betonte in der Vergangenheit mehrfach, Terrorismus sei ein internationales Problem.

Auch auf den Straßen von Abuja war in den vergangenen Wochen immer wieder der Ruf nach einem Eingreifen von außen laut geworden. Das heißt auch: Dem nigerianischen Militär alleine traut niemand mehr die Rettung der Mädchen zu.

Schwache Armee

Nigeria-Beobachter bestätigen das. „Die Armee ist relativ schwach. Grund dafür ist auch die Korruption“, sagt Hussaini Abdu, Landesleiter der nichtstaatlichen Organisation Action Aid. Nigeria wird ohnehin gerne in einem Atemzug mit Korruption genannt – im kleinen und im großen Stil. In diesem Fall würde es aber zeigen, wie sehr Korruption auch nationale Sicherheit beeinträchtigen kann.

Vermutungen, dass Boko Haram sehr viel besser ausgerüstet sei als nigerianische Soldaten, hatte es in den vergangenen Wochen haufenweise gegeben. Und auch Spekulationen darüber, dass Soldaten Angst haben, überhaupt den Kampf mit den Terroristen aufzunehmen. „Ich glaube einfach, dass Boko Haram sehr viel stärker motiviert ist als die Soldaten. Sie glauben, im Namen Gottes zu kämpfen“, so Abdu.

Für den Leiter von Action Aid ist es ein langsamer Untergang des nigerianischen Militärs, das einst eine sehr viel bessere Motivation und Reputation hatte. „Es hat sich an verschiedenen internationalen Missionen beteiligt, im Kongo, in Liberia und Sierra Leone etwa, und gute Dienste geleistet. Doch heute ist es nur noch ein Schatten seiner selbst“, bedauert Hussaini Abdu.

13 May 2014

LINKS

[1] http://twitter.com/search?q=%23bringbackourgirls&src=hash

AUTOREN

Katrin Gänsler

TAGS

Nigeria
Boko Haram
Bring Back Our Girls
Boko Haram
Nigeria
Mali
Boko Haram
Nigeria
Nigeria
Nigeria
Nigeria
Afrika
Nigeria
Nigeria
Nigeria
Afrika

ARTIKEL ZUM THEMA

Von Boko Haram entführtes Mädchen: Jeder weiß plötzlich, wer Amina ist

Erstmals wurde eines der 219 Mädchen gerettet, die Boko Haram vor zwei Jahren verschleppte. Doch sein Auftauchen wirft neue Fragen auf.

Nigerias Umgang mit Boko Haram: Wortschwall oder Bombenhagel

Es scheint, als führe die Regierung von Präsident Jonathan gegenüber den Islamisten eine Doppelstrategie. Aber keiner der beiden Zugänge funktioniert.

Islamistische Boko Haram in Nigeria: Noch kein „totaler Krieg“

Frankreich will seine Militärpräsenz im Sahel neu ordnen und mit seinen afrikanischen Partnern die Islamisten in Nigeria bekämpfen – irgendwann.

Kommentar Kampf gegen Boko Haram: Wer sonst, wenn nicht Frankreich?

Gut, dass Frankreich den Kampf gegen Boko Haram organisiert – auch wenn es seine ehemaligen „Besitzungen“ wie einen neokolonialistischen Hinterhof behandelt.

Gipfel in Paris: Aktionsplan gegen Boko Haram

Geheimdienste und Militär besser koordinieren – das sind Strategien, die afrikanische Staaten und Frankreich im Kampf gegen die Terrorgruppe beschlossen haben.

Entführte Schulmädchen in Nigeria: Der Präsident traut sich nicht

Goodluck Jonathan wollte am Freitag Chibok besuchen, den Heimatort der entführten Mädchen. Im letzten Augenblick wurde abgesagt. Aus Sicherheitsgründen.

Entführung von Schülerinnen in Nigeria: Deal mit Boko Haram abgelehnt

Der nigerianische Präsident Goodluck Jonathan will von einem Austausch der entführten Mädchen gegen inhaftierte Boko-Haram-Mitglieder nichts wissen.

Entführte Schülerinnen in Nigeria: Regierung will Dialog mit Boko Haram

Die nigerianische Regierung ist zu Gesprächen mit den Entführern bereit. Derweil haben Eltern auf einem Video 77 Mädchen identifiziert.

Europas Militäreinsätze in Afrika: Frankreichs Tarnung

Neun der 16 derzeit laufenden Militärmissionen der EU befinden sich in Afrika. Aber das hat mehr europäische als afrikanische Gründe.

Entführte Mädchen in Nigeria: Keine Verhandlungen mit Islamisten

Die nigerianische Regierung lehnt es ab, mit den Entführern von Boko Haram zu verhandeln. Indes suchen US-Flugzeuge nach den gekidnappten Mädchen.

Entführte Mädchen in Nigeria: Boko Haram veröffentlicht Video

Vier Wochen nach der Entführung von Hunderten Mädchen in Nigeria gibt es erstmals Hoffnung: Die Islamisten veröffentlichen ein Video mit den Mädchen.

Verschleppte Schülerinnen in Nigeria: Entführte angeblich in Zentralafrika

Augenzeugen in der Zentralafrikanischen Republik wollen „englisch sprechende“ Mädchen gesehen haben. Amnesty International erhebt Vorwürfe.

Kommentar Boko Haram in Nigeria: Brutale Facette eines Machtkampfs

Boko Haram ist keine durchgeknallte Sekte, die Mädchen reißt. Sie ist eine hochgerüstete Armee. Und Nigerias Politik trägt eine Mitschuld an der Eskalation.