taz.de -- Kommentar Freihandelsabkommen TTIP: Es ist vorbei
Viel kann bei den TTIP-Beratungen nicht mehr verhandelt werden. Denn selbst die Industrie hat kein Interesse an Veränderungen des Status quo.
Das Freihandelsabkommen TTIP hat keine Chance. Es ist gescheitert, noch während es verhandelt wird. Denn es mehren sich nicht nur die externen Kritiker, zu denen selbst die katholische Kirche zählt. TTIP scheitert auch an seinen offiziellen Fans in der Industrie.
Die Chemiebranche ist dafür typisch. Über sie wird faktisch nicht mehr verhandelt, weil sich Amerikaner und Europäer nicht über die fundamentale Frage verständigen können, was man als Risiko definiert.
Diese Kulturunterschiede zeigen sich auch in der Landwirtschaft. Handelskommissar De Gucht verspricht in jedem Interview, dass das Chlorhühnchen nicht kommen wird. In der Tat. Kein Chlorhühnchen wird jemals den europäischen Kontinent erreichen. Dies hat aber weniger mit De Gucht zu tun – als mit dem leidenschaftlichen Widerstand der europäischen Geflügelzüchter.
Es sind also nicht nur Attac-Aktivisten, die TTIP kritisieren. Es mehren sich die industriellen Bedenkenträger in jeder Branche, denen auffällt, dass sie mit dem Status quo bestens leben können und sie kein Abkommen mit neuen Standards brauchen. Der Handel floriert auch so.
Erhellend ist auch die Position der IG Metall, deren Chef Detlef Wetzel gegen das Freihandelsabkommen ist. Dies kann nur bedeuten: TTIP ist nicht wichtig für die deutsche Automobilindustrie. Sonst wäre die IG Metall garantiert dafür, weil sie die Interessen der deutschen Exportindustrie nie ignoriert – sie lebt davon.
Die Automobilindustrie ist aber die zentrale Branche, mit der stets wieder erklärt wird, warum TTIP ein Segen sein soll. Nach dem Motto: Dann gibt es endlich transatlantisch einheitliche Blinker, die bisher noch in Orange (EU) und Rot (USA) leuchten. Wenn sich aber selbst die Autokonzerne nicht besonders für Blinker interessiert – wer soll es dann tun?
19 May 2014
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