taz.de -- Verletze vor Champions-League-Finale: Plazenta für Profis

Im Vorfeld des Champions-League-Finales wird vor allem über malade Kickerkörper diskutiert. Die Heilungsansätze sind teilweise sehr abenteuerlich.
Bild: Diego Costa von Atlético Madrid hofft auf Hilfe von oben

MADRID taz | „Doctora Milagro“ sieht aus wie Kleopatra mit dicken Lederriemen an den Handgelenken und heißt mit bürgerlichem Namen Marijana Kovacevic. Einige der berühmtesten Fußballer des Planeten haben athich schon ihr Gel aus Stutenplazenta reichen und von ihren Elektroschocks durchschütteln lassen. Kevin-Prince Boateng verhalf sie zum Einsatz im WM-Viertelfinale 2010. Auch Frank Lampard, Robin van Persie oder Wayne Rooney sollen zu ihrer Klientel zählen. Diese Woche nun verarztete die serbische Wunderheilerin ihren bislang wohl spektakulärsten Fall.

Am Dienstag, fünf Tage vor dem Champions-League-Finale zwischen den Stadtrivalen Atlético und Real, schwebte ein Privatjet aus Madrid in Belgrad ein. An Bord befand sich Diego Costa, der am Samstag beim Ligaspiel Atléticos in Barcelona nach einer Viertelstunde mit einer Oberschenkelverletzung vom Platz gegangen war, weinend.

Das Thema Champions-League-Finale schien erledigt, selbst die WM, bei der Atléticos Stürmer für seine Wahlheimat Spanien antreten will, äußerst fraglich. Dann traf er sich mit Kovacevic, ein gemeinsames Mittagessen, ein Informationsgespräch, schließlich die Behandlung – und am Mittwochabend kehrte ein Costa nach Madrid zurück, der ein Lächeln auf den Lippen trug. Es gibt wieder Hoffnung, heißt es.

Die animalische Therapie des Saisonaufsteigers ist eine besonders schillernde, aber beileibe nicht die einzige Geschichte, die sich vor dem Höhepunkt des Klubfußballjahres mit Gebrechen aller Art beschäftigt. Eigentlich könnte die Vorberichterstattung zum Endspiel als ärztliches Bulletin verfasst werden. Die Topnachrichten in der Madrider Sportpresse am Donnerstagmorgen, erstens: Costa. Zweitens: Pepe (Real, Wade). Er hat einen Rückfall erlitten und fällt so gut wie sicher aus. Drittens: Der Einsatz von Benzema (Real, Adduktoren) wird sich beim Abschlusstraining am Endspielort Lissabon entscheiden. Viertens: Für eine zweite Meinung im Fall Arda Turan (Atlético, Becken) flog sein Vertrauensarzt aus Istanbul ein.

Und in dieser Auflistung war gar nicht Cristiano Ronaldo dabei, der mysteriöseste Patient von allen. Ein paar Stunden, bevor Costa und Arda das Ligafinale in Barcelona früh verlassen mussten, hatte der portugiesische Weltfußballer das Aufwärmen beim Spiel gegen Espanyol abgebrochen und sich aus dem Aufgebot gestrichen. Reine Vorsichtsmaßnahme, hieß es danach zwar, beziehungsweise „eine kleine Verspannung“, wie Trainer Carlo Ancelotti erklärte.

Ronaldos medizinische Seifenoper

Seit Monaten rankt sich um den Superstar eine medizinische Seifenoper, die es mit jeder Krankenhausserie aufnehmen könnte. Im Zentrum stehen offenbar divergierende Diagnosen der Klubärzte und der Leibdoktoren des Portugiesen. Schon seit März sollen die Experten des Vereins dem Spieler geraten haben, wegen einer Sehnenentzündung im Knie seine Einsätze zu dosieren.

Die persönlichen Therapeuten des Portugiesen dagegen sahen keine Notwendigkeit, seine Gelüste nach jeder auch noch so unwichtigen Partie wie etwa dem Achtelfinalrückspiel gegen Schalke zu hemmen. Im Ergebnis stellte Ronaldo zwar einen Allzeit-Torrekord für Champions-League-Treffer in einer Saison auf (16), hat sich aber zuletzt mehrfach vor einem Spiel abmelden oder früh auswechseln lassen müssen.

Insbesondere Real scheint die Saison mit einem infernalischen Dreikampf um die Meisterschaft, dem umkämpften Königspokal mit seinem Modus aus Hin- und Rückspielen sowie der Champions League bis zum Finale auf der Zielgeraden völlig ausgezehrt zu haben. Mit nur zwei Punkten aus den drei Spielen nach dem 4:0-Triumph bei Bayern München wurde die Liga quasi abgeschenkt. Und im Champions-League-Finale drohen eventuelle Personalprobleme umso schwerer ins Gewicht zu fallen, da bereits Xabi Alonso, das Gehirn der Elf, wegen einer Gelbsperre fehlt.

Es geht ja nur noch um ein finales Spiel – wenn nicht danach noch eine WM käme. Ob und in welchem Zustand man Ronaldo, Costa und die anderen in Brasilien sehen wird, muss angesichts ihrer Krankenakte als offen gelten. Marijana Kovacevic hingegen wird auf jeden Fall dabei sein. Deutschlands Gruppengegner Ghana hat sich die Dienste der Wunderheilerin gesichert.

24 May 2014

AUTOREN

Haupt

TAGS

Real Madrid
Atlético Madrid
Champions League
Cristiano Ronaldo
Fußball
Türkei
Fußball
Champions League
Real Madrid
Fußball
Champions League
Heribert Bruchhagen
Schwerpunkt Rassismus
Atlético Madrid

ARTIKEL ZUM THEMA

Türkischer Fußballstar Arda Turan: Erdoğans Liebling droht die Haft

Arda Turan war erst Hoffnungsträger, dann Kapitän der türkischen Nationalelf. Nach einem Skandal drohen ihm jetzt zwölf Jahre Gefängnis.

Xabi Alonso vor Wechsel zum FC Bayern: Gentleman und Scharfmacher

Xabi Alonso wurde in Madrid von Neuzugang Toni Kroos aus der Startelf gekickt. Weil deswegen schlechte Laune droht, wechselt er wohl nach München.

Finale Champions League: Kühle Zehn

Real Madrid siegt im Drama von Lissabon. Doch die Herzen gehören den tapferen Verlierern von Atletico. Nur eine Winzigkeit fehlte zur Sensation.

Champions-League-Finale: Real hoch zehn

Atlético Madrid sieht lange wie der Sieger aus. Doch in der Nachspielzeit trifft Real zum Ausgleich – und gewinnt in der Verlängerung den 10. Titel.

Pro und Contra Europäischer Fußball: Spiel ohne Grenzen?

Schaffen Champions League, EM und die Uefa Teilhabe und emotionalen Kontinentalkitt? Oder sind sie ein unfaires Elitenprojekt?

CL-Finale Madrid gegen Madrid: Klubs trennen Klassenunterschiede

Arbeiterverein gegen Nobelklub: Die diesjährigen CL-Finalisten Atlético und Real haben nichts gemein. Überhaupt nichts.

Heribert Bruchhagen über Kommerz: „Stehplatzfans sind nichts Besseres“

Der Vorstandschef von Eintracht Frankfurt über die finanzielle Ungleichheit in der Bundesliga, Homophobie und die Arroganz einiger Anhänger.

Kolumne Geht's noch: Mia san mia – und ihr seid ihr!

Thomas Müller beschwor vor dem Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid den nationalen Schulterschluss. So ein Quatsch.

Rassismus im spanischen Fußball: Bananenwerfer festgenommen

Die Attacke auf den Barça-Spieler Dani Alves könnte einem 26-jährigen bis zu drei Jahren Haft einbringen. Allerdings geht das Gerücht um, der Vorfall sei inszeniert.

Atlético Madrids Erfolgssaison: Pupas im Rausch

Ausgeheilte Wehwehchen: Der designierte spanische Meister, Atlético Madrid, ist drauf und dran, eine Saison voller Überraschungen zu krönen.