taz.de -- Vergewaltigungen in Indien: „Manchmal richtig, manchmal falsch“
Ein Minister eines Bundesstaats hat sexuelle Gewalt gegen Frauen verteidigt. Zuvor waren zwei Mädchen mehrfach vergewaltigt und an einem Baum erhängt worden.
NEU DELHI afp | Ein Regionalminister der indischen Regierungspartei hat die grassierende sexuelle Gewalt gegen Frauen in seinem Land drastisch verharmlost und sogar ansatzweise verteidigt.
Vergewaltigung sei „ein soziales Verbrechen, das von Männern und Frauen abhängt“, sagte der Innenminister des Bundesstaats Madhya Pradesh, Babulal Gaur, am Donnerstag vor Journalisten. „Manchmal ist es richtig, manchmal ist es falsch.“ Jedenfalls könne ermittlungstechnisch „nichts getan werden, solange es keine Anzeige gibt“.
Gaur gehört der Bharatiya-Janata-Partei (BJP) des indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi an. In Indien war die gesellschaftliche Entrüstung über sexuelle Gewalt gegen Frauen zuletzt deutlich gewachsen, nachdem mehrere brutale Fälle an die Öffentlichkeit gelangt waren.
Während Modi die Einlassungen seines ausgerechnet für Recht und Ordnung zuständigen Parteifreunds zunächst nicht kommentierte, distanzierte sich die BJP von Gaur. Dessen Ansichten repräsentierten nicht die der Partei, hieß es.
Alltägliche Gewalt gegen Frauen
Die Diskriminierung von Frauen in der indischen Gesellschaft und gegen sie gerichtete, oftmals sexuell motivierte Gewaltverbrechen sorgen im In- und Ausland immer wieder für Schlagzeilen.
So waren in einem Dorf des Bundesstaats Uttar Pradesh in der vergangenen Woche die Leichen zweier zwölf und 14 Jahre alter Cousinen gefunden worden, die mehrfach vergewaltigt und dann an einem Baum aufgehängt worden waren. Im Dezember 2012 löste die tödliche Gruppenvergewaltigung einer jungen Studentin in Neu Delhi Massenproteste gegen die alltägliche Gewalt gegen Frauen aus.
Seitdem wurden die Strafen für Vergewaltigung zwar verschärft - so steht etwa auf Vergewaltigung mit Todesfolge die Todesstrafe. Frauenrechtsaktivisten zufolge werden Sexualverbrechen jedoch in vielen Fällen bis heute nicht ernsthaft geahndet.
Nach Angaben der Regierung wird in Indien alle 22 Minuten eine Frau vergewaltigt. Aktivisten gehen aber von einer weitaus höheren Dunkelziffer aus, da die Opfer sexueller Gewalt häufig sozial geächtet werden.
6 Jun 2014
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Vor zwei Jahren löste die Massenvergewaltigung einer Frau Entsetzen aus. Seitdem werden in Indien schärfere Strafen verhängt. Einige Männer fühlen sich als Opfer.
In einem indischen Dorf wird eine Frau belästigt. Ihr Mann meldet das beim Dorfvorsteher. Dieser bestraft nicht den Täter, sondern nimmt die kleine Schwester in Sippenhaft.
Politiker in Indien fallen wiederholt mit grotesken Statements zum Dauerthema Vergewaltigung auf. Nun sind Aussagen eines weiteren Abgeordneten aufgetaucht.
Vergewaltigt, ermordet und in einen Baum gehängt – abermals sind zwei tote Frauen gefunden worden. Polizisten wird eine Gruppenvergewaltigung vorgeworfen.
Erneut interpretiert ein BJP-Funktionär sexuelle Gewalt als Kavaliersdelikt. Vergewaltigungen „geschehen versehentlich“, sagt Ramsevak Paikra vor Kameras.
Zwei Mädchen werden in Indien vergewaltigt, ihre Familien finden die Leichen in einem Baum. Die Polizei befasst sich erst nach öffentlichem Druck mit dem Verbrechen.
In Indien sind zwei Mädchen nach einer Gruppenvergewaltigung erhängt gefunden worden. Frauenrechtler werfen der Polizei Mittäterschaft vor.
Der Vergewaltiger ihrer Tochter kam zwar in den Knast, doch das reichte einer Inderin nicht: Sie stiftete ihren Ehemann an, die Gattin des Täters zu vergewaltigen.