taz.de -- Vorrunden WM-Bilanz (1/4): Heimvorteil genutzt
Acht von zehn Mannschaften aus Amerika stehen im Achtelfinale der WM. Vor allem Chile, Costa Rica und Mexiko konnten überzeugten.
Die einfachen Erklärungen sind manchmal die besten. Belgiens Trainer Marc Wilmots sagte jüngst über die Stärke der Lateinamerikaner bei dieser WM: „Die südamerikanischen Teams haben eine sehr kurze Reaktionszeit, ein sehr gutes Umschaltspiel, ein Gespür für Tore.“
Costa Rica (vor allem beim [1][3:1 gegen Uruguay]) und Mexiko (beim [2][3:1 gegen Kroatien]) haben das Umschaltspiel zuweilen in Perfektion gezeigt. Chile hat zwar auch von der spanischen Schwäche profitiert, aber diese Art von Überwältigungsfußball auch ganz gut drauf. Kolumbien und Uruguay, auch beide weiter, spielten etwas abgeklärter, aber vor allem Erstere auf beängstigend hohem Niveau. Und dann kommt auch noch Nordamerika in Form von Klinsis US-Boys daher und schafft mal eben in einer Gruppe mit Portugal und Ghana den Achtelfinaleinzug!
Eine WM der Amerikaner? Ja, acht von zehn Teilnehmern aus Nord-, Mittel- und Südamerika haben die Gruppenphase überstanden. Doch hat ein Turnier vier und nicht zwei Wochen. Und ausgerechnet Brasilien und Argentinien wirkten gegen die vermeintlich Kleinen blass. Zieht man die messiesken und neymarösen Farbtupfer ab, bliebe nicht viel.
Vermutlich wird es dennoch keines dieser Erfrischungsfußballteams ins Halbfinale schaffen, denn sehr oft zeigt sich bei den großen Turnieren dann doch, dass Pragmatismus siegt. Und das hieße dann, dass ausgerechnet jene amerikanischen Teams am Ende im Halbfinale stünden, die bislang eine Anhäufung von Einzelkönnern waren – im Gegensatz zu den wunderbar verschiebenden, die Räume nutzenden und flink konternden Kollektivfußballern aus Chile, Costa Rica und Mexiko (obwohl sich die Niederlande an Letzteren die Zähne ausbeißen könnten).
Es wäre schön, wenn man sich in diesem Jahr einfach mal irren würde mit dieser Annahme. Und es am Ende hieße: Diese WM hat – wie bisher – ihre eigenen Gesetze.
27 Jun 2014
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