taz.de -- Die Wahrheit: Sporno- oder aerosexuell?

Beim WM-Torjubel ziehen Spieler gern brettharte Sixpacks oder andere Muskelgruppen blank. Aber das Ästhetikdiktat der Spornosexuellen wankt.
Bild: Das Musical: Appes Bein.

Beißen, treten, kratzen, schlagen: Fußball ist einfach ein ungemein sinnliches Spiel. Junge Menschen rennen leidenschaftlich hintereinander her, haben nur Augen füreinander, im ständigen Bemühen, sich gegenseitig im vollen Lauf auf den Rasen zu schubsen und sichtbare Spuren dieser innigen Begegnungen im Antlitz oder der Schulter des Gegenübers zu hinterlassen.

Ab und an geht ein Ball ins Netz, was zumindest bei einem Teil der spielenden Burschen dazu führt, das verschwitzte Leibchen vom Körper zu reißen, um wahlweise den Namen des Unterhosensponsors, Tattoos, aber vor allem ansehnlich geformte Muskeln ins Bild zu rücken.

Für eben jene, die nicht jubeln können, ohne sich oben rum zu entblößen, hat der Journalist Mark Simpson den Begriff „Spornosexuelle“ kreiert. Gemeint sind Sportler wie Balotelli oder Ronaldo, die sich bei jeder Gelegenheit nackig machen, damit die Welt ihre erheblichen Investitionen in den Aufbau eines Sixpacks bewundern können, vergleichbar jenen Pornostars, die ihr imposantes Arbeitsgerät unterhalb der Bauchmuskeln in die Kamera zu halten pflegen. Wenn man allerdings so miserabel spielt wie Balotelli und Ronaldo bei dieser WM, kommt diese narzisstische Praxis zwangsläufig zu kurz. Ohne Tor kein Striptease, da geht es dem Spornosexuellen nicht besser als dem Pornodarsteller mit klemmenden Reißverschluss.

Da der Spornosexuelle bei dieser WM also eher selten zum Zug kommt, fällt der Blick des WM-Guckers zwangsläufig auf jene, die viele Tore schießen, ohne ihr Hemd zu lüften. Spieler wie Lionel Messi, oder Xherdan Shaqiri, der unlängst gleich drei Mal in einem Spiel die Gelegenheit zum extrovertierten Strip ungenutzt verstreichen ließ. Auch ohne Möglichkeit zur TV-Aktstudie ahnt man jedoch, dass unter dem Trikot dieser Spieler, deren Spitznamen „Kraftwürfel“, „Zauberzwerg“ oder „Der Floh“ lauten, kaum Körperlandschaften verborgen liegen, die dem Ideal eines spornosexuellen Adonis genügen. Aber es besteht Hoffnung für Spieler wie Messi und Shaqiri – und auch für Philipp („Die Graumaus“) Lahm, falls er bislang nur deshalb keine Tore schießen sollte, weil er sich seines nackten Oberkörpers schämen sollte: Die Wochenzeitung Zeit hat nämlich bereits das Zeitalter des Aerosexuellen ausgerufen. Das ist laut Zeit-Autorin der Begriff für Männer mit dem Teint einer ungebackenen Apfeltasche, die ihr blasses Hühnerbrüstchen dem spornosexuellen Ästhetikdiktat zum Trotz ungeniert zur Schau stellen.

Womöglich endet also mit dieser WM nicht nur die Ära von Balotelli und Ronaldo, sondern es beginnt jene, in der Zauberzwerge, Flöhe und graue Mäuse sich ihrer bislang verdrängten erotischen Ausstrahlung bewusst werden und nach jedem Tor blank ziehen. Spätestens wenn Lahm halbnackt vor der Kamera herumtanzt, wissen wir, dass im Sport die erotisch aufgeladene Hühnerbrust angesagt ist. Die Zukunft gehört den Hühbruspornosexuellen. Angesichts des grassierenden Retro-Schicks die Gelegenheit für ein Comeback des kleinen dicken Müllers als Unterhosenmodel.

10 Jul 2014

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Zotta

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