taz.de -- Kampf gegen Boko Haram in Nigeria: Außergerichtliche Hinrichtungen
Amnesty International deckt Menschenrechtsverletzung beim Kampf gegen die Terrorgruppe auf. Die NGO prangert auch die Untätigkeit wegen der Ölpest im Nigerdelta an.
LAGOS afp/ap | Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft der nigerianischen Armee „massive Verletzungen der Menschenrechte“ im Kampf gegen die islamistische Gruppe Boko Haram im Nordosten des Landes vor. Videoaufnahmen, Bilder und Zeugenaussagen aus dem Bundesstaat Borno lieferten „neue Beweise für außergerichtliche Hinrichtungen und schwere Menschenrechtsverstöße“, erklärte Amnesty am Dienstag. Dazu gehörten Bilder von Gefangenen, denen die Kehle durchgeschnitten werde und die dann in Massengräber geworfen würden. Bei den Tätern handele es sich offenbar um Mitglieder der Armee und mit ihr verbündeter Milizen.
Das nigerianische Verteidigungsministerium erklärte in einer ersten Reaktion, die Beschuldigungen würden „sehr ernst“ genommen. Das Oberkommando der Armee habe ein Team aus ranghohen Offizieren, Rechtsexperten und Gerichtsmedizinern zusammengestellt, um die Angaben zu überprüfen und die Verantwortlichen der Taten zu identifizieren.
Laut Amnesty wurden seit Jahresbeginn im Konflikt zwischen der Armee und Boko Haram mehr als 4000 Menschen getötet. Dabei sei es auch zu mehr als 600 außergerichtliche Hinrichtungen gekommen.
Die Extremisten sind für zahlreiche Anschläge auf Polizei, Armee und Behörden sowie Kirchen, Schulen und Wohngebiete verantwortlich. Tausende Menschen wurden dabei in den vergangenen Jahren getötet. International Schlagzeilen machte Boko Haram auch mit der Entführung von 276 Mädchen Mitte April aus einer Schule im Ort Chibok. Noch immer befinden sich mehr als 200 Schülerinnen in der Gewalt der Islamisten.
30 Jahre Ölrückstände
Der Ölkonzern Shell und die Regierung Nigerias haben laut Menschenrechtsgruppen bisher kaum Schritte zur Beseitigung von Ölverschmutzungen im Niger-Delta unternommen. Dabei sei Trinkwasser in mindestens zehn Ortschaften der Region Ogoniland durch Ölförderung und Lecks verseucht, teilte Amnesty International in einem am Montag veröffentlichten Bericht mit. An dem Report waren unter anderem die Gruppen Friends of The Earth Europe und das Zentrum für Umwelt (CSE) beteiligt.
Im Jahr 2011 hatte das UN-Umweltprogramm eine detaillierte Analyse der Verschmutzung in dem betroffenen Gebiet vorgelegt. Demnach dürfte es bis zu 30 Jahre dauern, bis sämtliche Ölrückstände beseitigt seien. In den drei Jahren seit Veröffentlichung der Studie sei fast nichts passiert, hieß es nun. Selbst empfohlene Notfallmaßnahmen seien nur rudimentär umgesetzt worden.
Dazu zählen die Bereitstellung von Wasserreserven für Gemeinden, die von den Umweltverschmutzungen besonders betroffen sind. Doch Anwohner hätten die Güter als ungenügend bezeichnet, das Wasser habe oft „gestunken und sei widerlich“ gewesen.
Zwar wurde die Ölförderung in Ogoniland im Jahr 1993 eingestellt, doch wurde dafür verwendete Ausrüstung zum Teil laut den UN nicht vollständig außer Betrieb genommen. Die Folge: Die Geräte zersetzten und wurden falsch benutzt. „Die Menschen in Ogoniland leiden noch immer an den Folgen der schmutzigen Jahre der Ölindustrie, die ihr Land, ihre Luft und ihr Wasser verseucht hat“, hieß es in dem Bericht der Gruppen weiter. Zudem warfen sie Shell vor, die Schuld für die Misere Öldieben zuzuschieben statt Verantwortung zu übernehmen und die Erkenntnisse des UN-Reports umzusetzen.
5 Aug 2014
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