taz.de -- Ebola in Liberia: Quarantäne unter Waffengewalt

Liberias Regierung versucht mit Ausgangssperren der Lage Herr zu werden. Die betroffenen Einwohner der Hauptstadt reagieren mit wütenden Protesten.
Bild: Ein Soldat patroulliert in West Point.

MONROVIA afp/rtr | Wegen der Ebola-Epidemie steht der westafrikanische Staat Liberia seit Mittwoch unter einer nächtlichen Ausgangssperre. Zudem wurden zwei Stadtviertel – eines in der Hauptstadt Monrovia, das andere in Dolo Town in der Provinz Margibi – unter Quarantäne gestellt. Bei den Bewohnern von Monrovias Stadtteil West Point sorgte die Maßnahme für wütende Proteste.

Die Sicherheitskräfte haben mit scharfer Munition und Tränengas die Einhaltung der Quarantäne. „Sie haben nicht auf friedliche Bürger geschossen“, sagte ein Militärsprecher am Mittwoch in der Hauptstadt. Augenzeugen zufolge wurden vier Menschen verletzt. Es war zunächst unklar, ob die Opfer angeschossen wurden. Ein Reuters-Fotograf sah einen Jungen mit einer schweren Beinverletzung.

Die liberianische Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf verhängte in einer am Dienstagabend im Radio und im Fernsehen übertragenen Ansprache eine Ausgangssperre zwischen 21.00 Uhr und 06.00 Uhr. Außerdem ordnete sie die „Schließung aller Freizeitzentren und aller Videoklubs ab 18 Uhr“ an.

Die Staatschefin beklagte, dass es in Liberia trotz Verhängung des Ausnahmezustands und weiterer drakonischer Maßnahmen nicht gelinge, die Epidemie in den Griff zu bekommen. Verantwortlich dafür sei auch, dass die Bevölkerung die Seuche nach wie vor verleugne, dem Rat der Experten und Ärzte nicht folge und alle Warnungen der Regierung in den Wind schlage.

75.000 Menschen unter Kontrolle

In der Nacht zum Sonntag hatten mit Messern und Knüppeln bewaffnete Angreifer eine Isolierstation in Monrovias Armenviertel West Point verwüstet und 17 Ebola-Patienten befreit. Sie leugneten die Epidemie und warfen Sirleaf vor, mit ihren Warnungen nur an internationale Hilfsgelder kommen zu wollen.

Die geflüchteten Patienten meldeten sich erst drei Tage später wieder in einem anderen Krankenhaus der Stadt. Die Behörden befürchten nun, dass sich zahlreiche weitere Bewohner von West Point mit dem Erreger angesteckt haben und stellten deshalb den gesamten Stadtteil mit seinen 75.000 Einwohnern unter Quarantäne.

Die Bewohner von West Point traf die Maßnahme völlig unvorbereitet. Als sie aufwachten, war ihr Viertel von Soldaten und Polizisten in Kampfmontur abgeriegelt. Nach Angaben von Augenzeugen schleuderten aufgebrachte Einwohner Steine auf die schwer bewaffneten Soldaten und Polizisten. Andere beschwerten sich im Radio, dass sich die Preise in den Geschäften über Nacht verdoppelt hätten. Am Nachmittag beruhigte sich die Lage.

Liberia ist nach jüngsten Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit 576 Toten am schwersten von der Ebola-Epidemie betroffen. Allein am Wochenende registrierte die Organisation in Liberia 95 zusätzliche Ebola-Tote. Insgesamt gibt es demnach 1350 Tote und 2473 Infizierte. Die WHO erklärte die Epidemie bereits vor Tagen zum Gesundheitsnotfall und ließ den Einsatz noch nicht erprobter Medikamente und Impfstoffe in den betroffenen Ländern zu.

21 Aug 2014

TAGS

Ebola
Liberia
Quarantäne
Ebola
Ebola
Ebola
Weltgesundheitsorganisation
Ebola
Ebola
Ebola
Ebola
Ebola
Liberia
Ebola
Ebola
Ebola

ARTIKEL ZUM THEMA

Rekordhoch an Ebola-Infizierten: Angst und Desinteresse

Das Schlimmste kommt erst noch, warnt die WHO. Die Behörden in Westafrika aber gehen teils ziemlich locker mit der Ebola-Gefahr um.

Schutzanzüge gegen Ebola: Die Pirelli-Männchen-Paranoia

Das Virus werde kaum über die Luft übertragen, erklären Forscher. Die raumanzugähnliche Kleidung verbreite Panik. Sie sei unbequem und teuer.

WHO hält 20.000 Ebola-Fälle für möglich: Schlimmer als befürchtet

Die Zahl der Ebola-Infizierten in Westafrika könnte 20.000 überschreiten, warnt die Weltgesundheitsorganisation. In Genf hat sie einen Notfallplan vorgestellt.

Ebola-Patient wird in Hamburg behandelt: Auf der Isolierstation

Ein Ebola-Patient aus Westafrika ist zur Behandlung im Hamburger Unversitätsklinikum eingetroffen. Das Krankenhaus ist auf Fälle wie diesen spezialisiert.

Ebola-Epidemie in Afrika: Erkrankungen auch im Kongo

Die neuen Ebola-Fälle sind offenbar unabhängig vom Ausbruch in Westafrika. Japan bietet an, ein noch nicht genehmigtes Ebola-Medikament zur Verfügung zu stellen.

Ebola in Westafrika: Hoffnung auf Heilmittel

In Nigeria gibt es zwei neue Ebola-Fälle. Während die WHO an einer Strategie gegen die Ausbreitung der Epidemie arbeitet, schließt Senegal die Grenze nach Guinea.

Ebola in Westafrika: Welthungerhilfe warnt vor Knappheit

Das Ebola-Virus ist nicht die einzige Gefahr, die in Westafrika droht. In Sierra Leone und Liberia könnte ein Hungerkrise folgen.

Seuchen und Aufklärung: Gottes gerechte Strafe

Seuchen haben neben der gesundheitlichen eine soziale Komponente: Sie breiten sich dort am stärksten aus, wo die Aufklärung nicht angekommen ist.

Ebola-Epidemie in Westafrika: Ausgangssperre in Liberia

In Liberia gilt ab Mittwochabend ein nächtliches Ausgangsverbot. Zudem wurde ein Armenviertel in der Hauptstadt unter Quarantäne gestellt.

Ebola breitet sich weiter aus: Eine Million Afrikaner in Quarantäne

Über 100 neue Fälle wurden in Westafrika registriert. Die in Liberia geflohenen Patienten sind wieder in der Klinik. Auch in Berlin gab es einen ersten Ebola-Verdachtsfall.

Sündenbock des Ebola-Virus: Das Elend hat ein Gesicht

Der Mann, der Ebola nach Nigeria brachte: Patrick Sawyer wird als Überträger dämonisiert. Die Angst vor dem Virus lässt selbst Boko Haram vergessen.

Ebola-Helfer in Afrika: Die verfluchten Retter

Die Bekämpfung von Ebola in Westafrika ist schwierig, weil die Betroffenen gegen die Helfer ein tiefes Misstrauen hegen. Warum ist das so?