taz.de -- CDU-Vizechefin über den Erfolg der AfD: „Eine Unmut-Aufsauger-Partei“

Die AfD sei nicht „aus dem Fleisch der CDU“, sagt Julia Klöckner, Vizechefin der CDU. Sie schüre Angst und biete keine Lösungen an.
Bild: Konservativ sind wir selbst: Noch stört sich die erfolgreiche CDU nicht an ihrer Konkurrenz von rechts

taz: Frau Klöckner, am Sonntag gab es gute Ergebnisse für die CDU in Thüringen und Brandenburg. Aber auch für die AfD. Wir groß war da noch die Freude im CDU-Bundesvorstand?

Julia Klöckner: Erst mal überwiegt natürlich die Freude, dass die Zustimmung zu den Christdemokraten so groß ist. Wir können uns gut vorstellen, dass das Ergebnis für die SPD sehr hart ist. Mittlerweile sind ja SPD und AfD in Thüringen fast gleichauf.

Ohne die AfD hätte die CDU aber noch besser abgeschnitten.

Es hat sich klar gezeigt, dass die These nicht stimmt, die AfD sei aus dem Fleisch der CDU. Die CDU hat sogar in beiden Ländern Stimmen gewonnen. Die AfD ist eine Unmuts-Aufsauger-Partei, die aus allen Parteien Wähler zieht. Sie schürt die Angst vor Wohlstandsverlust, bietet aber keine Lösungen an.

Dennoch muss sich auch die CDU fragen, warum die AfD salonfähig wird. 10, 12 Prozent sind keine Kleinigkeit.

Da hilft ein Blick in die Geschichte. Auch in Baden-Württemberg saßen mal die Republikaner im Landtag. Damals hat man gesagt, die bleiben jetzt. Und das stimmte ja nun gar nicht. Auch bei den Piraten hat man das gesagt. Kurzum, jetzt kommt für die AfD der Realitätscheck. Wer sagt, der Euro sei schlecht für uns, muss den Arbeitnehmern und Unternehmern erklären, was dann mit den Arbeitsplätzen im Exportland Deutschland passiert.

Der Berliner Kreis hat sich gemeldet: Die Strategie der Union, die AfD zu ignorieren, sei fehlgeschlagen. Man müsse auf die konservativen Wähler der AfD zugehen. Was sagen Sie dazu?

Ich sehe nach wie vor keine Berührungspunkte mit der AfD, Koalitionen schon gar nicht. Die AfD spielt mit den Ängsten der Wähler. Wir müssen das natürlich ernst nehmen. Aber die Frage ist doch, ob man reflexhaft reagiert. Unsere Antwort darauf muss solides Arbeiten, das Ansprechen und Ermutigen der Menschen sein. Ressentiments muss man ernst nehmen, darf Sie aber nicht noch schüren. Politik muss ohnehin immer wieder erklärt werden.

Die CDU hat sich mit Themen wie Gleichstellung oder Homoehe in die gesellschaftliche Mitte begeben und ist dafür gewählt worden. Wer bedient in Ihrer Partei noch den konservativen Flügel?

Konservativ sein hat nichts mit Einzelthemen zu tun. Konservativ sein ist eine Haltung. Ob man verlässlich ist, nachhaltig denkt und so auch vor allem handelt.

Intern schiebt die CDU gerade einen Reformprozess an. Muss es da jetzt nicht wegen der AfD eine inhaltliche Debatte geben?

Noch mal, die CDU hat bei den Wahlen zugelegt, auch wenn das in das ein oder andere vorgefertigte Bild nicht passen mag. Und es braucht nicht eine Partei wie die AfD, um Debatten anzustoßen. Die CDU debattiert fortlaufend über ihre Positionen. Ganz aktuell: Wir haben jetzt drei neue Kommissionen eingerichtet.

Alle schauen jetzt nach Thüringen, wo Christine Lieberknecht „einen klaren Regierungsauftrag“ hat. So klar ist der aber doch nicht, schaut man sich die Sitzverteilung an. Wie kann Lieberknecht die SPD überzeugen, noch mal mit ihr zu regieren?

Die SPD sollte diese Frage vom Ende her bedenken. Will sie, dass 25 Jahre nach dem Fall der Mauer die geistigen Erben der SED wieder das Sagen haben? Dann würde sich die SPD als Volkspartei überflüssig machen. Oder will sie in einer großen Koalition für Stabilität sorgen?

Aber in Thüringen hat die SPD in der großen Koalition eindeutig Schaden genommen.

Ich glaube, dass der SPD-Bundesvorsitzende recht hat: Interne Querelen bringen nie Stimmen. Und wer sich nicht klar positioniert und alles offen lässt, wird nicht ernst genommen. Der Wähler goutiert einfach nicht, wenn die SPD mit der Linkspartei flirtet.

16 Sep 2014

AUTOREN

Anja Maier

TAGS

Schwerpunkt AfD
CDU
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen
Schwerpunkt Ostdeutschland
Julia Klöckner
Schwerpunkt Landtagswahl 2019 in Brandenburg
Julia Klöckner
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD

ARTIKEL ZUM THEMA

CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz: Merkels Ziehtochter

Julia Klöckner gilt als politischer Spross von Angela Merkel. Bei Flüchtlingen schlägt die CDU-Aufsteigerin eigene Töne an – schärfere.

Wahlerfolg der AfD: Ein stummer Schrei nach Liebe

Die AfD weiß genau, wo beim Ostdeutschen die Angst sitzt. Sie weiß, wo er gestreichelt werden will. Dafür haben die Wähler die Partei belohnt.

Debatte Erfolg der AfD: Keine Koalitionen ohne die CDU

Für die CDU sind die neuen Rechtspopulisten der AfD kein Problem, sondern ein Glücksfall. Wird die SPD jemals wieder mehr als Juniorpartner?

AfD bei den Landtagswahlen: CDU-Konservative fordern Kurswechsel

Nach den Erfolgen der AfD fordern konservative CDUler eine neue Strategie gegen die Rechtspopulisten. Sie zu ignorieren, sei fehlgeschlagen.

AfD und Linkspartei in Brandenburg: Gauland steht auf Wagenknecht

Die Euroskepsis verbindet die beiden Parteien: Alexander Gauland, AfD-Vize und Spitzenkandidat in Brandenburg, kann sich eine Kooperation mit der Linken vorstellen.

AfD im sächsischen Landtag: Kaltstellen oder entzaubern?

Im Landtag gab es klare Regeln: keine Kooperation mit der NPD. Jetzt sitzt dort die AfD. Und die Fraktionen diskutieren wieder: Was tun mit dieser Partei?

Die CDU nach der Sachsen-Wahl: In rechter Bedrängnis

Das Wahlergebnis der CDU sieht auf den ersten Blick besser aus, als es ist. Denn die AfD wird zur echten Bedrohung von rechts.