taz.de -- Die Streitfrage: Hat der Papst ein Sexproblem?
Bischöfe diskutieren bei einer Synode über die Haltung der Kirche zu Ehe und Familie. Glauben und modern lieben – passt das zusammen?
Alte Männer, die keinen Sex haben, treffen sich, um über Sex zu reden. Klingt absurd, doch genau das geschieht momentan auf einer außerordentlichen Bischofssynode, die Papst Franziskus vergangenen Sonntag in Rom eröffnet hat. Denn die Kirche hat ein echtes Problem: Die reine Lehre und die Lebenswirklichkeit der Gläubigen scheinen nicht mehr zusammenzupassen.
„Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“, könnte man das Ergebnis einer Befragung zusammenfassen, die der Vatikan im letzten Jahr unter den Gläubigen aller Welt durchgeführt hat. Die Sonderbischofssynode soll die Ergebnisse aufarbeiten und Perspektiven für eine moderne Kirche erarbeiten.
Noch knapp zwei Wochen diskutieren die „Synodenväter“ in Rom, welche Einstellungen die katholische Kirche zu Fragen der Familie, Ehe, Abtreibung und Homosexualität haben sollte. Viele Gläubige, das zeigt die Umfrage, finden sich in den strengen Regularien ihrer Kirche nicht wieder: Sie kennen zwar die Gebote, beachten sie im Alltag jedoch kaum. Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit könnte größer nicht sein.
Höchste Zeit also, dass in der katholischen Kirche Konzepte entwickelt werden, wie die Lehre besser an die Lebenswirklichkeit der Menschen angepasst werden kann. Ein Fall im vergangenen Jahr zeigte das: Ein katholisches Krankenhaus verwehrte einer vergewaltigten Frau die „Pille danach“. Die Empörung war groß, die katholische Sexualmoral wurde massiv kritisiert.
Wie geht freie Sexualität auf katholisch?
In der Kritik steht auch immer wieder das Arbeitsrecht der Kirche. Geschiedene, die neu heiraten, werden in katholischen Einrichtungen teils rabiat entlassen. Die Kirche hat hier Änderungen in Aussicht gestellt – auch das wollen die Bischöfe auf der Synode beraten.
Franziskus jedenfalls scheint die Versammlung ernst zu nehmen. „Redet bitte offen“, mahnte er die Teilnehmer in Rom zu Beginn des Treffens an. Die Kirche müsse sich der weltlichen Probleme annehmen. Die Zeichen scheinen auf Veränderung zu stehen. Doch ob die Bischöfe die Reform unterstützen, muss sich erst noch zeigen.
Aber passt das zusammen, glauben und modern lieben? Wie geht freie Sexualität auf katholisch? Geht das überhaupt? Oder führen Sex vor der Ehe, Kondome, Polygamie und Homosexualität, immer direkt in die Hölle?
Hat der Papst also ein Sexproblem?
Diskutieren Sie mit! Die taz.am wochenende wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der Ausgabe vom 11./12. Oktober 2014. Ihr Statement sollte etwa 400 Zeichen umfassen und mit Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Schicken Sie uns eine Mail an: streit@taz.de.
7 Oct 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Papst Franziskus umkurvt alle heiklen Punkte in seiner Rede in Havanna. Das Wort Opposition nimmt er erst gar nicht in den Mund.
Der Papst erlaubt allen katholischen Priestern, reuigen Frauen eine Abtreibung zu vergeben. Die Erlaubnis gilt aber nur während des „Heiligen Jahres“.
Frauen als Priester zulassen, Homosexuelle anerkennen, Zölibat abschaffen: In vielen Aspekten haben deutsche Katholiken andere Überzeugungen als ihre Kirche.
Gesundheitsminister Gröhe (CDU) hebt die Rezeptpflicht für Pidana und Ellaone auf. Die SPD fordert eine Kostenerstattung durch die Kassen.
Endlich gibt es auch in Deutschland die „Pille danach“ rezeptfrei. Aber wie immer geht Fortschritt nicht ohne konservativ moralisches Getöse.
Die Bischofssynode zur Familienpolitik schlägt neue Töne an. Gnade für Lesben und Schwule soll walten. Manche sehen ein „pastorales Erdbeben“.
Der Vatikan geht einen Schritt auf Homos zu. Schwule und Lesben könnten die Kirche bereichern, heißt es in einem Dokument. Ein Experte spricht von einem „Erdbeben“.
Das Sexproblem der Kirche ist gewollt, glaubt Rosa von Praunheim. Der Papst hingegen findet Sex gar nicht so erschreckend, entgegnet Paula Lambert.
Auf der Synode in Rom fordert Papst Franziskus von konservativen Bischöfen eine freie Diskussion über Themen wie Ehe, Scheidung und Verhütung.
In der anglikanischen Kirche können endlich auch Frauen das Bischofsamt bekleiden. Willkommen im 20. Jahrhundert.
Geht doch: Die Church of England lässt künftig Frauen fürs Bischofsamt zu. Selbst der evangelikale Flügel hat nichts dagegen – um eine Krise abzuwenden.
Die Familie als Mutter, Vater, Kind zu definieren – aus der Bibel lässt sich das nicht ableiten. Ein Essay zur neuen Sexualethik.