taz.de -- Regierungsbildung in Tunesien: Nida Tunis ignoriert Ennahda

Das offizielle Wahlergebnis in Tunesien liegt vor: Zwei säkuläre Parteien haben den Großteil der Sitze gewonnen. Die Suche nach einer Regierungskoalition hat begonnen.
Bild: Die tunesische Wahlkommission bei der Bekanntgabe des Ergebnisses.

TUNIS ap | Die säkuläre Partei Nida Tunis hat das Mandat zur Regierungsbildung in Tunesien. Bei der Parlamentswahl gewann die wirtschafts- und gewerkschaftsnahe Partei 85 der 217 Sitze und wurde damit stärkste Kraft, wie die Wahlkommission am frühen Donnerstagmorgen mitteilte. Die moderaten Islamisten der Ennahda-Partei, die die Regierung des Landes nach dem Sturz des Machthabers Zine El Abidine Ben Ali zwei Jahre lang angeführt hatten, verloren 23 Sitze und kommen als zweitstärkste Kraft auf 69 Sitze.

Nida Tunis hat nun das Recht, den künftigen Ministerpräsidenten Tunesiens vorzuschlagen und eine Regierungskoalition anzuführen. Die Partei präsentiert sich als erfahrene Kraft, um im von Aufständen und Terrorattacken geplagten Tunesien wieder für Stabilität zu sorgen. Mit Ennahda koalieren will Nida Tunis nach eigenen Angaben nicht. Stattdessen wolle man auf kleinere Parteien setzen, um die Mehrheit von 109 Sitzen zu erreichen, hieß es.

Dazu müssten die Wahlsieger mit mindestens zwei weiteren Parteien koalieren, wie die am Donnerstag veröffentlichten Wahlergebnisse zeigen. Abgeschlagen wurde die Freie Patriotische Union des Fußballclub-Besitzers Slim Rihai – eines politischen Novizen – mit 16 Sitzen drittstärkste Partei. Das linksgerichtete Parteienbündnis Volksfront, von dem 2013 zwei Mitglieder durch Extremisten umgebracht worden waren, kam auf den vierten Platz und 15 Sitze, die liberale Afek Tounes mit acht Sitzen auf Rang fünf. Die verbleibenden 24 Sitze teilen sich auf mehrere Splitterparteien auf.

Für das nordafrikanische Land war die Wahl am vergangenen Sonntag ein Meilenstein auf dem Weg zur Demokratie. Erstmals seit dem Sturz Ben Alis im Zuge des Arabischen Frühlings Anfang 2011 wurde ein Parlament für volle fünf Jahre gewählt. Die Wahlbeteiligung lag bei 60 Prozent. Ennahda war Ende 2013 von einem Technokraten-Kabinett abgelöst worden. Die Regierungszeit der Partei war gezeichnet von steigender Inflation, einer schwächelnden Wirtschaft und wachsender extremistischer Gewalt.

Zur Nida Tunis gehören neben Geschäftsleuten und Gewerkschaftern auch viele Politiker aus der Regierungszeit Ben Alis. Ihr 87 Jahre alter Vorsitzender Beji Caid Essebsi war in den 1980er Jahren unter Ben Alis Vorgänger Habib Bourguiba Außenminister, später Botschafter in der Bundesrepublik und 2011 für eine Übergangszeit Regierungschef.

30 Oct 2014

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