taz.de -- Rechter Aufmarsch in Berlin-Marzahn: „Gegenprotest soll sichtbar sein“

In Marzahn hetzen Anwohner gegen Flüchtlinge. Prorektorin Völter von der Alice Salomon Hochschule versucht, Kontakte zwischen ihnen herzustellen.
Bild: Da sind die Rechten schon wieder: Hetze gegen Flüchtlinge vergangene Woche

taz: Frau Völter, seit Wochen protestieren Neonazis, rechte Parteien und „besorgte“ Bürger in Marzahn-Hellersdorf gegen Flüchtlinge. Am Samstag ist erneut eine große Demonstration angemeldete. Wie geht die Alice Salomon Hochschule (ASH) in Hellersdorf mit den wieder eskalieren rechten Protesten um?

Bettina Völter: Ich bin sehr froh über den breiten Gegenprotest, der die rechten Aufmärsche begleitet. Unsere StudentInnen und Hochschullehrenden unterstützen diesen auch; sie waren von Anfang an bei den Gegendemonstrationen dabei. Wir hoffen, dass am Samstag viele Menschen, auch aus den Innenstadtbezirken, kommen und sich dem Gegenprotest anschließen. Meine Bitte an die Polizei ist, dass sie den Gegenprotest sichtbar werden lässt und sich nicht nur die Gegner des Asylrechts frei bewegen können.

Ist Marzahn-Hellersdorf eine rechte Hochburg?

Wer denkt, dass der Bezirk und die Demokratiebewegung hier abgehängt sind, irrt. Es gibt viele BürgerInnen und Initiativen wie „Hellersdorf hilft“ und „Grenzen weg“, die AsylbewerberInnen in ihren Anliegen unterstützen. Auch die ASH zieht sich nicht aus der Verantwortung.

Was heißt das genau?

Wir haben einen Seminarraum im Flüchtlingsheim, wo regulärer Unterricht stattfindet. Dies ermöglicht AsylbewerberInnen Kontakte und die Teilnahme an Projekten von Lehrenden und Studierenden. Umgekehrt lernen auch wir durch den Kontakt selbst viel über Bedingungen von Flucht und Asyl heute.

Gibt es Kontakte zu Anwohnern?

Unsere Präsenz dient auch der Belebung dieser Gegend. Wenn ein Pulk Studierender hin und her läuft, können sich BewohnerInnen anschließen. Demnächst werden die „Spazierblicke“ – das sind Spaziergänge im Stadtteil – mit Übersetzungen in unterschiedliche Sprachen für die BewohnerInnen der Asylunterkunft veranstaltet. Sie haben das Ziel, die Flüchtlinge mit Menschen aus ihrer Umgebung in Kontakt zu bringen.

Diese Verbindung zwischen Anwohnern und Asylbewerbern wurden bisher nicht hergestellt. Woran liegt das?

Es liegt daran, dass Menschen Ängste und Vorbehalte gegenüber Fremdem und Fremden haben, und diese sträflicherweise zum Teil bewusst geschürt werden. Wir leben ja in einer Gesellschaft, die tendenziell Rassismus immer wieder reproduziert. Meine Erfahrung ist aber, dass Vorbehalte abgebaut werden können, wenn Menschen sich kennenlernen. Das ist natürlich nicht die einzige Variante, Rassismus zu begegnen, aber sicher nicht die schlechteste.

Sie wurden in das Programm „Campus & Gemeinwesen“ des deutschen Stifterverbands als eine von sechs deutschen Hochschulen, aufgenommen und haben 40.000 Euro Fördermittel bekommen. Ergeben sich dadurch neue Möglichkeiten?

Wir wollen unseren Projekten eine Struktur geben und sie für die Menschen im Bezirk präsent machen. Wir müssen uns bemühen, über Spenden hinauszugehen. Ein Zukunftsprojekt könnte ein Wohnhaus für Studierende, BewohnerInnen des Bezirks, AsylbewerberInnen und pendelnde Lehrende sein. Das stelle ich mir spannend vor.

Haben Sie weitere Ideen?

Ich stelle mir vor, dass AsylbewerberInnen bei uns die Fächer Soziale Arbeit, Pflege- und Therapiewissenschaften und Frühpädagogik studieren. In Marzahn-Hellersdorf wurden viele Kitas geschlossen, der Altersdurchschnitt ist vergleichsweise hoch. Es gibt also einen Bedarf an Ausbildungen in diesen Bereichen. Das würde auch dem Bezirk zugutekommen.

21 Nov 2014

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STEFANIE BAUMEISTER

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