taz.de -- Raubkunst soll zurück an Besitzer gehen: Berner Museum tritt Gurlitts Erbe an

Das Kunstmuseum Bern übernimmt das umstrittene Gurlitt- Erbe: „Entartete“ Kunst aus Museumsbestand soll in die Schweiz, Raubkunst soll an die Erben der Besitzer gehen.
Bild: Christoph Schäublin ist mit dem Kunstmuseum Bern Alleinerbe.

BERLIN dpa | Das Kunstmuseum Bern nimmt das Erbe des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt an. Das bestätigte der Stiftungsratspräsident des Museums, Christoph Schäublin, am Montag in Berlin. Kunstwerke, die unter dem Verdacht der Raubkunst stehen, sollen aber in Deutschland bleiben und an die Berechtigten zurückgegeben werden. Dies teilten Schäublin und Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) am Montag in Berlin mit.

Sie unterzeichneten gemeinsam mit dem bayerischen Justizminister Winfried Bausback (CSU) eine Vereinbarung zum Umgang mit dem Gurlitt-Nachlass. Deutschland verpflichtet sich demnach, die Kosten für die Rückgabe von Bildern, die sich als NS-Raubkunst erweisen, zu übernehmen. Grütters betonte, die Aufarbeitung nationalsozialistischen Kunstraubs gehe weit über die rechtliche Dimension hinaus. Deutschland wolle seiner Verantwortung auch moralisch gerecht werden.

Von den Nazis als „entartet“ diffamierte Kunst, die einst aus deutschen Museen entfernt wurde, soll in die Schweiz gehen. Gurlitts Geschäftsbücher sollten noch am Montag in die Online-Datenbank [1][Lostart] eingestellt werden. Schäublin betonte, Bern beteilige sich aktiv an der Erforschung der Herkunft der Bilder.

Der im Mai gestorbene Cornelius Gurlitt, Sohn eines NS-Kunsthändlers, hatte das [2][Berner Museum als Alleinerben eingesetzt]. Seine Sammlung umfasst mehr als 1500 Bilder, darunter wertvolle Werke etwa von Matisse, Picasso, Renoir und Monet. Kurz vor seinem Tod hatte er einen Vertrag mit der Bundesregierung unterzeichnet, in dem er die weitere Erforschung seiner Sammlung [3][auf Nazi-Raubkunst zusicherte] ([4][taz-Kommentar]). Die Vereinbarung zwischen Bern, Bund und Bayern fußt auf diesem Vertrag.

Eine Cousine zweifelt das Testament des Kunsthändlers allerdings an und beantragte beim zuständigen Amtsgericht in München einen Erbschein, wie das Gericht am Montag bestätigte.

24 Nov 2014

LINKS

[1] http://www.lostart.de/Webs/DE/Start/Index.html
[2] /Gurlitts-Kunstsammlung/!138078/
[3] /Einigung-mit-Bund-und-Bayern/!136346/
[4] /Kommentar-Gurlitt/!136363/

TAGS

Schwerpunkt Cornelius Gurlitt
Entartete Kunst
Monika Grütters
Kunst
Messe
Schwerpunkt Cornelius Gurlitt
Raubkunst
Schwerpunkt Cornelius Gurlitt
Nazis
Entartete Kunst
Kunstmarkt
Schwerpunkt Cornelius Gurlitt

ARTIKEL ZUM THEMA

Verschollene Kunst: Segen für den Ausverkauf

Hermann Göring hortete Kunst, darunter auch Werke, die als „entartet“ bezeichnet wurden. Wie die Kirche half, verfemte Werke zu veräußern.

Weltgrößte Kunstmesse in Maastricht: Den Renoir an die Bürotür geschraubt

Kunstkauf kann ein diffiziles Zockerbusiness sein, weiß Till-Holger Borchert. Er ist Profishopper für staatliche Museen.

Herkunft von NS-Raubkunst: Noch zu viel ist unerforscht

Im Kulturausschuss des Bundestags wird debattiert, wie die Provenienzforschung zukünftig erfolgreicher gestaltet werden kann.

„Entartete Kunst“ in Rostock: Der gute und der böse Engel

Rostock verfügt über eine große Sammlung sogenannter entarteter Kunst. Sie stammt vom NS-Kunsthändler Bernhard A. Böhmer.

Kommentar Gurlitt-Erbe: Scheinheilige deutsche Kulturpolitik

Die von Nazis geraffte „entartete Kunst“ der Gurlitt-Sammlung wandert entschädigungslos nach Bern. Offenbar will man NS-Unrecht nicht aufarbeiten.

Historiker über Gurlitt und die Folgen: „Es wird unglaublich viel verdunkelt“

Hans Prolingheuser kritisiert die Aufklärung im Fall Gurlitt. Und nicht nur die. Viele angeblich zerstörte „entartete“ Werke gebe es noch.

Nazi-Liste „Entartete Kunst“: X = Vernichtung

Akribisch dokumentierten die Nazis die Enteignung „entarteter Kunst“. Die Liste war lange verschwunden. Jetzt macht die taz sie durchsuchbar.

Der Fall Gurlitt und die Folgen: Gesetzlich korrektes Unrecht

Vor einem Jahr diskutierte die Weltöffentlichkeit über Cornelius Gurlitt und die „entartete Kunst“. Seitdem hat sich wenig getan. Woran liegt das?

Jüdische Eigentümerin ohne Erben tot: Gurlitt-Bild geht an Nazi-Nachfahren

Die Familie eines NS-Kasernenwarts bekommt ein Raubkunst-Bild aus der Gurlitt-Sammlung zurück. Die jüdische Eigentümerin ist ohne Erben verstorben.