taz.de -- Flüchtlinge im Mittelmeer: Italien rettet 900 Menschen
In einer dramatischen Rettungsaktion verhindert die italienische Marine eine Katastrophe. Ein Flüchtlingsschiff wäre fast gegen die Felsenküste Apuliens geprallt.
GALLIPOLI afp | Die italienische Marine hat einen Frachter mit mehr als 900 syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen an Bord in letzter Minute vor einer Katastrophe bewahrt. Die Küstenwache erklärte am Mittwoch, die Maschinen des Schiffs seien so eingestellt gewesen, dass es auf Kollisionskurs mit der felsigen Südküste Italiens stand. Italienischen Einsatzkräften gelang es fünf Seemeilen vor der Küste, das Schiff auf Kurs zu bringen.
Nach Angaben der Küstenwache wäre der Frachter ohne das Eingreifen der italienischen Behörden auf die Felsküste in der Region Apulien geprallt. Sechs Beamte der Küstenwache konnten am Dienstagabend gerade noch rechtzeitig an Bord gelangen. Nach hektischen Versuchen sei es den Einsatzkräften gelungen, die Steuerung zu entsperren und das Schiff in letzter Minute unter Kontrolle zu bringen. Damit sei ein „Massaker" verhindert worden. „Es war ein wirklicher Wettlauf mit der Zeit", sagte Küstenwache-Sprecher Filippo Marini.
Um den Frachter hatte es zuvor Verwirrung gegeben. Die griechische Küstenwache hatte am Dienstagnachmittag zunächst einen Notruf von einem Insassen des Schiffes erhalten, der berichtete, der Frachter werde von schwer bewaffneten Männern gesteuert. Griechenland entsandte daraufhin eine Fregatte, einen Hubschrauber und zwei Patrouillenboote zu dem Frachter, die nach Angaben der griechischen Hafenpolizei aber nichts Ungewöhnliches entdeckten. Dem Schiff wurde daher die Genehmigung zur Weiterfahrt erteilt.
Offenbar nahmen die griechischen Behörden jedoch nur eine oberflächliche Überprüfung des Schiffes vor. Die italienischen Behörden vermuten, dass der Frachter zu diesem Zeitpunkt unter der Kontrolle von Menschenschmugglern stand, die das Schiff später im Stich ließen. Dies ist häufig der Fall, wenn die Schmuggler davon ausgehen, dass die Flüchtlinge von Marine- oder Handelsschiffen aufgegriffen werden.
Überwiegend aus Syrien
Schließlich landete ein italienischer Küstenwachen-Helikopter auf dem Deck des unter moldauischer Flagge fahrenden Schiffes und setzte sechs Einsatzkräfte ab. Diese steuerten das Schiff in den süditalienischen Hafen Gallipoli. Am frühen Mittwochmorgen traf die „Blue Sky M" dort ein, die hunderten Flüchtlinge wurden von den Behörden in Empfang genommen. Ein Mann, der der Kooperation mit den Menschenhändlern beschuldigt wird, wurde festgenommen.
Die Flüchtlinge stammten italienischen Medienberichten zufolge überwiegend aus Syrien. Unter ihnen war eine hochschwangere Frau, bei der im Zuge des Dramas die Geburt einsetzte.
Der Ursprungshafen des Schiffes war unklar. Den Behörden zufolge wollte die „Blue Sky M" in den kroatischen Hafen Rijeka in der nördlichen Adria. Kurz nach der Überprüfung durch die griechische Hafenpolizei änderte der Frachter jedoch den Kurs und steuerte auf Italien zu. Der Vorfall ereignete sich unweit von der Stelle, an der am Sonntag die Autofähre „Norman Atlantic" in Brand geraten war.
Mehr als 170.000 illegale Einwanderer sind in diesem Jahr an den italienischen Küsten gelandet. Mindestens 3400 Flüchtlinge ertranken laut den Vereinten Nationen bei der gefährlichen Überfahrt von Afrika Richtung Europa.
31 Dec 2014
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Für 150.000 syrische Flüchtlinge ist die türkische Stadt Mersin das Tor nach Europa. Für andere ist ihr Schicksal ein Millionengeschäft.
Ein weiteres Flüchtlingsschiff ohne Besatzung wird vor der Küste Italiens von der Küstenwache gerettet. 400 Menschen sind an Bord.
Nach einer längeren Irrfahrt vor Griechenlands Inseln rettet die italienische Küstenwache einen Frachter. Der Kapitän hatte sich offenbar abgesetzt.
Das Land steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Doch den greisen Präsidenten verlassen die Kräfte. Italien braucht einen Nachfolger.
Vier Syrer flüchten aus ihrer Heimat nach Deutschland, denn der „Islamische Staat“ bedroht ihr Leben. Per Handy dokumentieren sie ihren Weg.
Libanon und Jordanien sind mit der Flucht vor dem Assad-Regime überfordert. António Guterres über die Hilfe der UN, die Aufnahmebereitschaft Deutschlands und „Triton“.
Deutschland könnte Millionen von Syrern aufnehmen, ohne dass die Wirtschaft darunter leidet. Das zeigen der Mauerfall und die Aussiedler.
Das UNHCR spricht von einem neuen Rekord an Menschen, die auf der Flucht sind. Auch Deutschland tut zu wenig. Doch nicht nur das ist ein Problem.
Hunderttausende flohen allein in diesem Jahr in Booten nach Europa. Das hat das UNHCR bekanntgegeben. Mehr als 3.400 Menschen kamen dabei um.