taz.de -- Kommentar Menschenrechte und IOC: Erst hinschauen, dann loben
Die Menschenrechtler von Human Rights Watch sind voll des Lobes für das Internationale Olympische Komitee. Aber das ist naiv.
Wie geduldig Papier ist, das sollten Menschenrechtsorganisationen eigentlich am besten wissen. Insofern wirkt es ein wenig naiv, wenn Human Rights Watch (HRW) [1][so viele Hoffnungen in das 20-seitige Dokument setzt], welches das Internationale Olympische Komitee (IOC) als großes Reformwerk vergangenen Dezember vorstellte.
Gewiss sieht die Agenda 2020 die Möglichkeit vor, Menschenrechtsforderungen in Ausrichterverträge hineinzuschreiben. Aber ob damit justiziable Hebel geschaffen werden, um Unrechtsstaaten ein Großevent auch mal zu entziehen, steht auf einem anderen Blatt.
Vielleicht verfolgt HRW mit dem öffentlichen Lob für das IOC und dessen Chef Thomas Bach, den Mentor der Agenda 2020, auch eine Strategie. Möglicherweise glaubt man, die Sportfunktionäre mit einem derartigen Vertrauensvorschuss am besten in die Pflicht nehmen zu können.
Aber diese Vorstellung ist einfältig. Thomas Bach ist ja nicht neu im Geschäft. Bei der Abschlussfeier der Winterspiele in Sotschi 2014 richtete der Funktionär seinen ausdrücklichen Dank an Russlands Präsidenten Wladimir Putin für dessen „außerordentliche Bemühungen“.
Über die auch von HRW attestierten Verschlechterungen der Menschenrechtslage in Russland verlor Thomas Bach kein Wort. Derartige Themen lassen sich in einer Agenda vielleicht bequemer und gewinnbringender platzieren.
Die Naivität von Human Rights Watch ist ärgerlich, weil das Lob seitens der Sportverbände bereits stolz nach außen getragen wurde. „Human Rights Watch sieht das IOC als Vorreiter“, titelte beispielsweise der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB).
HRW macht sich so zur PR-Agentur des IOC. Zwar erklärte die Organisation, man wolle nun genau hinschauen, ob das Beabsichtigte auch bewerkstelligt wird. Die umgekehrte Reihenfolge wäre aber besser gewesen: erst hinschauen, dann loben.
29 Jan 2015
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