taz.de -- Eon klagt für Zwischenlagerung: Atommüll soll nach Gorleben
Gegen das Ende des Zwischenlagers hat der Konzern Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die Kosten für einen alternativen Aufbewahrungsort will er nicht tragen.
GÖTTINGEN taz | Die Energiekonzerne überziehen Bund und Länder seit Monaten mit Klagen gegen den Atomausstieg. Jetzt geht E.on sogar mit einer Verfassungsbeschwerde gegen den Stopp von Castortransporten ins Atommüllzwischenlager Gorleben vor. Das Unternehmen wende sich damit gegen einen entsprechenden Passus im 2013 verabschiedeten Endlagersuchgesetz, sagte ein Gerichtssprecher am Freitag zur taz. Zunächst hatte die Süddeutschen Zeitung über die Beschwerde berichtet.
Um Gorleben nicht noch weiter als Endlagerstandort zu zementieren und um die aufgebrachten Gemüter im Wendland zu beruhigen, war in das Standortauswahlgesetz maßgeblich auf Druck Niedersachsens ein Satz eingefügt worden, der die Anlieferung weiterer Castorbehälter nach Gorleben bis auf weiteres ausschließt: „Mit der Verabschiedung des Standortsuch-Gesetzes werden die Transporte von Behältern mit abgebrannten Kernbrennstoffen ins Zwischenlager Gorleben eingestellt.“
Stattdessen sollen die 26 Castoren, die ab 2016 aus den Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague und Sellafield von Deutschland zurückgenommen werden müssen, so lange in bestehenden Zwischenlagern an den AKW-Standorten aufbewahrt werden, bis ein Endlager zur Verfügung steht. Diese Lager sind bislang aber nur für Behälter genehmigt, die abgebrannte Brennelemente aus dem Betrieb der Reaktoren erhalten, nicht aber für Castoren mit hochradioaktivem Misch-Müll aus der Wiederaufarbeitung. Die Energieversorger als Eigentümer der Standortzwischenlager müssten diese Lager also umrüsten – was Millionen Euro kosten würde.
Dann doch lieber Gorleben, sagen sich die Konzerne, wo in der Nähe des Salzstocks ein für alle gängigen Behältertypen genehmigtes und für die Aufnahme der 26 Castorbehälter bestens geeignetes Zwischenlager zur Verfügung steht. Die Entscheidung, das Wendland nicht mehr anzufahren, sei nicht fachlich begründet, sondern politisch motiviert, argumentieren sie. E.on ist sich aber offenbar selbst nicht ganz sicher, damit beim Verfassungsgericht durchzukommen.
Atomgegner zeigen sich empört
Auf ausdrücklichen Wunsch des Konzerns wurde die Beschwerde nämlich in das sogenannte allgemeine Register des Gerichts eingestellt, wie der Sprecher erläuterte. Im Klartext: Sie liegt in Karlsruhe zunächst auf Eis, und es wird solange nicht darüber verhandelt, bis der Kläger dies konkret beantragt. Die Einstellung in das Register dient also im Wesentlichen der Wahrung einer Klagefrist. E.on lässt derweil prüfen, ob womöglich die Verwaltungsgerichte in der Sache zuständig sind.
Atomgegner übten gestern heftige Kritik an dem Vorstoß des Konzerns. Der Einlagerungsstopp für Gorleben sei gesetzlich festgeschrieben worden, um Vertrauen in eine Endlagersuche ohne Vorfestlegungen zu schaffen, sagte Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. E.on rüttele an diesem Konsens.
30 Jan 2015
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Drei Atomkonzerne klagen vor dem Verfassungsgericht. Sie wollen Geld, weil der Bundestag nach Fukushima die Stilllegung der AKW beschleunigte.
Eine US-Studie rät von Endlagern in kristallinen Formationen ab. Das „Hauptargument für Gorleben“ sei nun weggebrochen, sagen Umweltschützer.
Die Kommission stellt die geplante Struktur für den Betrieb und die Aufsicht von Endlagern infrage. Und lässt eine entscheidende Frage offen.
Die Endlagerkommission diskutiert, ob die AKW-Betreiber weiter mitwirken dürfen. In ihren Augen belasten deren Klagen die Arbeit des Gremiums.
Das Umweltministerium will alle Bundesländer in die Pflicht nehmen. SPD-Ministerpräsident Weil findet, Niedersachsen habe seine Pflicht schon getan.
Kopenhagen will ein oberflächennahes Endlager bauen, das für die nächsten 300 Jahre geeignet ist. Das reicht nicht aus, sagen Kritiker.
Der EuGH-Generalanwalt hat keine Bedenken gegen die Brennelementesteuer. Damit sinken die Chancen auf Erstattung – und die Aktienkurse.
Auch Schleswig-Holstein will keinen deutschen Atommüll aus England mehr aufnehmen. Wie kann es weitergehen?
Dänemark sucht nach einem dauerhaften Standort für seine strahlenden Hinterlassenschaften aus Krankenhäusern und der Forschung.
Der Energiekonzern Eon will sich aus der Verantwortung stehlen. Die Politik muss den Fluchtversuchen der AKW-Betreiber einen Riegel vorschieben.