taz.de -- Kolumne Liebeserklärung: Die Bundesliga ist barmherzig

Der deutsche Fußball hilft verirrten Schäfchen, obwohl er selbst nichts hat. Das Prinzip von Strafe und Resozialisierung funktioniert.
Bild: Marco Reus' Lebensmotto: Vollgas

Der deutsche Fußball ist arm. Sehr arm. Die englische Premier League kassiert ab 2016 mehr als drei Milliarden Euro TV-Geld pro Saison. Und die Bundesliga? Gerade einmal erwartete 835 Millionen. Bundesliga-Chef Christian Seifert bat deshalb in der Bild um eine „ehrliche Diskussion“: „Sind wir mit Blick auf den neuen TV-Vertrag bereit, notfalls auch unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen, um weiter die besten Spieler der Welt in der Bundesliga zu halten?“

Unpopulär heißt: Spiele auch am Sonntagvormittag oder Montagmorgen. Seifert treibt die Sorge um, ob sich die Profis zukünftig überhaupt noch eine warme Mahlzeit am Tag werden leisten können. Doch es ist wie überall auf der Welt und wie immer in der Geschichte: Wer arm ist, rückt zusammen. Wer wenig hat, spendet mehr. Wer sonst in unserer kalten Gesellschaft hilft noch dem armen Steuersünder, der nichts weiter wollte, als sein Gewissen zu entlasten, und am Ende dafür im Knast landete? In München findet sich ein Platz als Aufpasser in der Fußball-Jugendherberge.

In der bayerischen Landeshauptstadt wird auch einem Kalle geholfen, wenn er mal vergisst, zwei Uhren beim Zoll anzugeben. Keiner zeigt mit dem Finger auf ihn. Keiner lacht ihn aus. Er wird selbstverständlich in die Mitte der Liga genommen. Selbst wer bewaffnete Raubüberfälle durchzieht, wird nicht verstoßen. Er darf in Paderborn stürmen.

Und wer jahrelang ohne (oder mit gefälschtem) Führerschein in Dortmund herumgurkte, wird nicht nur nicht getadelt, nein, er wird belobigt: Vertrag bis 2019. Höhere Bezüge. Echte Liebe. Das Prinzip von Strafe und Resozialisierung sei gescheitert, sagte mir einst ein Professor an der Uni. Ich knipse samstags um 15.30 Uhr (oder bald montags um 14.10 Uhr) den Fernseher an und weiß, dass er unrecht hat.

13 Feb 2015

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Jürn Kruse

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