taz.de -- Kommentar Union-Kritik am BVerfG: Karlsruher Kontrolle ist nötig
Unions-Politiker kritisieren, dass sich das Bundesverfassungsricht zu sehr in die Politik einmische. Diese Kritik ist nicht gerechtfertigt.
Das Bundesverfassungsgericht soll das Grundgesetz auslegen und keine Politik machen. Dieser Vorwurf zieht sich durch zahlreiche kritische Äußerungen von Unions-Politikern, die [1][die Welt am Sonntag zusammengestellt] hat. Im Grundgesetz stehe nichts zum Kopftuch, nichts zur Fünfprozentklausel und auch nichts zur Besteuerung von Unternehmenserben. Bei der Aufhebung der entsprechenden Gesetz habe Karlsruhe tief in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eingegriffen.
Die Kritik ist ungerecht. Zwar sind Kopftuchfragen im Grundgesetz nicht explizit geregelt. Aber es gibt die Garantie der Religionsfreiheit, die auch für Lehrerinnen gilt. Wenn Karlsruhe hier strenge Anforderungen an staatliche Verbote stellt, so ist das der originäre Job eines Verfassungsgerichts. Wer sonst soll die Rechte von Minderheiten garantieren?
Auch zur Fünfprozentklausel bei Europawahlen steht nichts in unserer Verfassung. Aber dort wird garantiert, dass jede Stimme gleich viel zählt. Das ist bei einer Prozenthürde nicht der Fall, weshalb Karlsruhe gute Gründe für so eine Sperrklausel verlangt. Bei Wahlen für das ohnehin vielfältige Europaparlament haben die Richter solche Gründe nicht gesehen. Die Karlsruher Kontrolle ist zu recht streng. Wer sonst soll verhindern, dass Politiker Gesetze zugunsten ihrer eigenen Parteien machen?
Die Unions-Kritik könnte auch nach hinten losgehen. Beim bundeseinheitlichen Betreuungsgeld ist klar, dass dies [2][eigentlich gegen das Grundgesetz verstößt]. Diese Sozialleistung ist nicht „erforderlich“, um einheitliche Lebensverhältnisse zu erreichen. Karlsruhe müsste schon einigermaßen kreativ mit den Vorgaben des Grundgesetzes umgehen, um das Gesetz, das der CSU so wichtig ist, zu retten. Die Richter werden dies sicher ganz unvoreingenommen prüfen.
19 Apr 2015
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