taz.de -- Streit um Pflanzengift: Bayer gewinnt Glyphosat-Prozess

Der Aktienkurs von Bayer machte nach dem Urteil einen Sprung. Doch der Chemiekonzern ächzt unter dem Druck noch Zehntausender Klagen.
Bild: Bayer nach dem Urteil in den USA: Die Aktien sind gestiegen

New York/Frankfurt am Main/Berlin reuters/afp/taz | Der deutsche Chemie- und Pharmakonzern [1][Bayer] hat im Rechtsstreit um die angeblich krebserregende Wirkung des Unkrautvernichters [2][Glyphosat] einen juristischen Sieg in den USA errungen. Ein Bundesberufungsgericht in Philadelphia wies am Donnerstag den Vorwurf zurück, die Bayer-Tochter Monsanto habe gegen die Gesetze im Bundesstaat Pennsylvania verstoßen.

In dem Fall hatte der Kläger, ein am Non-Hodgkin-Lymphom erkrankter Gartenbauer, das Herbizid mit dem Markennamen Roundup für seine Krebserkrankung verantwortlich gemacht. Er argumentierte, Bayer hätte auf dem Etikett auf das Risiko einer Krebserkrankung hinweisen müssen. Die drei Richter des Berufungsgerichts in Pennsylvania urteilten am Donnerstag, das US-Bundesrecht schreibe landesweit einheitliche Etiketten für Pestizide vor; Warnhinweise auf Roundup-Produkten in Pennsylvania hätten gegen diese Vorschrift verstoßen.

„Wir begrüßen die einstimmige Entscheidung des Berufungsgerichts, die besagt, dass Klagen wegen angeblich unzureichender Warnhinweise in einzelnen Bundesstaaten ausdrücklich durch Bundesrecht ausgeschlossen sind“, hieß es bei Bayer in einer Stellungnahme zum Urteil.

In anderen Fällen hätten Berufungsgerichte aber anders entschieden. „Die widersprüchlichen Entscheidungen der Bundesberufungsgerichte dazu machen eine Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten erforderlich“, erklärte Bayer in der Stellungnahme weiter.

Glyphosat-Klagen sind „existenzielle Gefahr“ für Bayer

Glyphosat ist ein weit verbreitetes Totalherbizid, das jede Pflanze tötet, die nicht so genverändert ist, dass sie den Einsatz überlebt. Das Mittel ist laut der Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation wahrscheinlich krebserregend, trotzdem ist der Einsatz in der EU erlaubt.

[3][Es ist umstritten], ob Glyphosat wirklich krebserregend ist. Verschiedene Institutionen kommen zu verschiedenen Ergebnissen. Bayer betont, dass Glyphosat und glyphosatbasierte Wirkstoffe sicher seien, und die Chemikalie weltweit eingesetzt werde.

Ursprünglich wurde Glyphosat nicht von Bayer patentiert, sondern vom US-Unternehmen [4][Monsanto], und zwar im Jahr 1971. Bayer hatte Monsanto 2018 für 63 Milliarden Dollar übernommen. Damit setzte sich der deutsche Konzern einer Vielzahl von Klagen aus. 2020 stimmte Bayer einem Vergleich zu, der alle Klagen gegen eine Zahlung von 9,6 Milliarden Dollar beilegte. Allerdings verhinderte dieser Vergleich keine weiteren Klagen.

Im Quartalsbericht aus dem Juni 2024 war die Rede von insgesamt 172.000 Klagen, von denen in 114.000 Fällen ein Vergleich erzielt wurde oder die aus „verschiedenen Gründen die Vergleichskriterien nicht erfüllen“.

Bayer-Chef Bill Anderson bezeichnete die Prozesse als „existenzielle Gefahr“ für Bayer. Die Aktien des deutschen Unternehmens haben seit dem Kauf von Monsanto mehr als 70 Prozent ihres Wertes verloren. Bayer hatte 16 Milliarden Euro für die Beilegung der Klagen zurückgestellt, davon sind bereits 10 Milliarden aufgebraucht.

Die Übernahme belastet das Unternehmen seit Jahren schwer. Bayer ist schwer verschuldet und konnte unter anderem wegen der Klagen die Schuldenlast kaum reduzieren. Im vergangenen Jahr machte Bayer außerdem einen Verlust von fast drei Milliarden Euro.

Das aktuelle Gerichtsurteil aus den USA gibt Bayer Auftrieb. Der Kurs der Bayer-Aktie stieg am Freitagvormittag in Frankfurt am Main um mehr als zehn Prozent.

16 Aug 2024

LINKS

[1] /Schwerpunkt-Bayer-AG/!t5240035
[2] /Schwerpunkt-Glyphosat/!t5008469
[3] /Bayers-Glyphosat-Studien/!5551767
[4] /Schwerpunkt-Monsanto/!t5008941

AUTOREN

Anton Dieckhoff

TAGS

Schwerpunkt Bayer AG
Schwerpunkt Glyphosat
Schwerpunkt Monsanto
Social-Auswahl
Schwerpunkt Glyphosat
Schwerpunkt Bayer AG
Schwerpunkt Glyphosat
Schwerpunkt Bayer AG

ARTIKEL ZUM THEMA

Klagen von Krebspatienten in den USA: Bayer prüft offenbar Insolvenz von Monsanto wegen Glyphosat

Der Chemiekonzern erwägt wohl, die Klagewelle wegen des Pestizids durch eine Insolvenz der Tochter Monsanto zu stoppen. Kritiker finden das „infam“.

Coordination gegen Bayer-Gefahren: Bayer-Gegner bangen um Spenden

Das Netzwerk CBG hat finanziell zu kämpfen, vor allem seit Corona. Doch die Kritiker*innen des Pharmakonzerns wollen sich nicht entmutigen lassen.

Geschädigte zu Klage gegen Bayer: „System gegen die Menschen“

Sie hatte Fehlgeburten und Schlaganfälle, nachdem sie Glyphosat ausgesetzt war. Muss Bayer dafür geradestehen? Anwältin Sabrina Ortiz hofft darauf.

Bundesrat beschränkt Ackergift weiter: Glyphosat bleibt draußen

Die Länderkammer beschließt, die Nutzung für das umstrittene Pestizid nicht auszuweiten. In Schutzgebieten bleibt es verboten.