taz.de -- Silvana Koch-Mehrin: Erst gefeiert, dann vergessen

Als Silvana Koch-Mehrin 2004 ins Europaparlamant einzog, war sie FDP-Hoffnungsträgerin und Medienliebling. Davon ist wenig geblieben.
Bild: Lange Haare, langes Gesicht – aber kein langer Atem in Sachen Parlamentsarbeit: Silvana Koch-Mehrin.

Zuletzt war es still geworden um Silvana Koch-Mehrin, verdächtig still. Zwar meldete ihr Blog noch fast täglich Aktivitäten in Brüssel. Doch nach außen drang davon wenig. Aus dem gefeierten Medienstar war eine vergessene Hinterbänklerin geworden.

Dass sie bei der Europawahl 2014 nicht mehr antreten will, kommt daher nicht überraschend. Bemerkenswert ist aber die Begründung. Sie sehe „die Euroskeptiker auf dem Vormarsch“, sagte die 41-Jährige. Und: „Eine pauschale Absage an Eurobonds, wie sie die Bundesregierung und die FDP propagieren, halte ich für falsch.“

Das sind ungewohnte Töne für eine Politikerin, die 2004, bei ihrem Einzug ins Europaparlament, als größter Trumpf von Guido Westerwelle galt. Blond, hübsch und nicht auf den Mund gefallen war die damals 34 Jahre junge Hoffnungsträgerin der Liberalen. Dass sie sich irgendwann gegen ihre eigene Partei stellen würde, ahnte niemand.

Bei der Wahl von EU-Kommissionschef José Manuel Barroso gab sie reihenweise Interviews und empörte sich über dessen Versuch, mithilfe rechtsextremer Stimmen eine Mehrheit zu gewinnen. Die Journalisten waren entzückt, endlich hatten sie ein junges Politiktalent entdeckt!

Bunte Homestorys in deutschen Illustrierten

Doch die Freude hielt nicht lange an. Denn Koch-Mehrin ließ sich nach ihrer Wahl nicht mehr oft in Brüssel und Straßburg blicken. Lieber pflegte sie ihr Image mit bunten Homestorys in deutschen Illustrierten. Die mühsame Kleinarbeit im Parlament überließ sie ihren weniger bekannten FDP-Kollegen.

Die Quittung ließ nicht lange auf sich warten: Bei der Wahl der Vizepräsidenten im Europaparlament 2009 erhielt „Silvana“, wie sie in Brüssel alle nennen, einen Denkzettel und kam erst im dritten Wahlgang ans Ziel. Sie habe einfach nicht genug im Parlament gearbeitet, hieß es damals.

Der eigentliche Absturz kam aber erst im letzten Jahr, mit der Plagiatsaffäre. Zwar hatte Koch-Mehrin ihren Doktortitel nie besonders herausgestellt. Doch als ihr die Universität Heidelberg den akademischen Grad im Juni 2011 aberkannte, stellten sich plötzlich auch die Medien gegen die Frau, an der sie sich einst nicht sattsehen konnten.

21 Oct 2012

AUTOREN

Eric Bonse

TAGS

Europäisches Parlament
FDP
Doktortitel
Silvana Koch-Mehrin
Silvana Koch-Mehrin

ARTIKEL ZUM THEMA

Koch-Mehrin unterliegt vor Gericht: Nix Doktor!

Nach einem zweijährigen Rechtsstreit muss sich Silvana Koch-Mehrin damit abfinden: Die FDP-Politikerin wird auch in Zukunft auf ihren Doktortitel verzichten müssen.

Gericht über Ex-Doktorin Koch-Mehrin: Keine Bagatell-Plagiatorin

Der FDP-Politikerin Koch-Mehrin wurde zu Recht der Doktortitel entzogen, urteilt ein Karlsruher Gericht. Die „Bagatellschwelle“ sei bei weitem überschritten worden.

Doktortitel weg: Silvana bleibt Koch, kein Doktor

Die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin bekommt ihren Doktortitel wohl nicht mehr zurück. Sie scheiterte mit einer Klage – wird aber wohl in Berufung gehen.

Silvana Koch-Mehrin: Rückzug aus dem EU-Parlament

Silvana Koch-Mehrin wird 2014 nicht wieder fürs EU-Parlament kandidieren. In einem Interview verdammte die Ex-Doktorin zudem die „Blockwartmentalität“ der Plagiatsjäger.

Spott für Beförderung von FDP-Politikerin: Koch-Mehrin wird Forschungspolitikerin

Unpassender hätte die Beförderung nicht kommen können: Silvana Koch-Mehrin, die ihren Doktortitel wegen Betrugs verloren hatte, wird jetzt Forschungspolitikerin im EU-Palament. Der Spott ist groß.

Unterwegs mit einem Plagiatsjäger: Suchen, finden, stürzen

Abgeschrieben, abgetreten: Guttenberg und Koch-Mehrin wurden beim Schummeln erwischt. Wer ist der Nächste? Auf Streife mit einem Plagiatsjäger.

Nach Plagiatsvorwürfen an Koch-Mehrin: Zwischen den Zeilen, Satz für Satz

Meine Leistungen haben sich gar nicht gelohnt... Was die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin mit ihrer Rücktrittserklärung wirklich sagen wollte.