taz.de -- PMS-Ultras: Keine Tipps, nur Mitleid

Unsere Kolumnistin leidet unter dem prämenstruellen Syndrom. Hier ist ab jetzt der Platz, das gemeinsam zu durchleiden und zu verarbeiten.
Bild: Verzicht auf Kaffee geht gar nicht

Mir reicht es. Ich ertrage es nicht mehr und deshalb stehen wir das ab jetzt gemeinsam durch. [1][Ich leide unter PMS], dem prämenstruellen Syndrom, oder wohl eher Pech mit Scheiße.

Sieben bis zehn Tage vor der Blutung geht es los. Von da an hat niemand mehr Spaß. Und dass ich überhaupt noch [2][soziale Kontakte] habe, grenzt an ein Wunder. Nein, es ist ein Wunder. Glaubt mir, wenn ihr lest, was so passiert, wenn ich prämenstruiere, stimmt ihr mir zu und wollt meinem Mann und meinen Freund*innen eine Kur spendieren.

Und lesen werdet ihr es! Ab jetzt alle zwei Wochen! So häufig prämenstruiere ich ein Glück nicht, doch es gibt viel nachzuholen, vieles gemeinsam zu durchleiden und zu verarbeiten. Tipps bekommt ihr von mir keine, nur Mitleid, wenn es euch auch so geht. Vielleicht aber schummle ich doch dann und wann mal einen Tipp hinein, natürlich einen von den coolen, so was wie: Rollläden runter, Telefon aus, prall gefüllten Süßigkeitenkorb neben das Bett stellen und wütende Briefe verfassen.

Generell zeugen Tipps gegen PMS nämlich von einer Unverschämtheit, die ihresgleichen lange suchen kann. Oh, jetzt tut sie mir leid, die Unverschämtheit, denn vielleicht irrt sie nun in der Ewigkeit herum auf der Suche nach ihresgleichen. Kann ich mich jetzt aber nicht drum kümmern. Ich habe zu tun. Ich muss mich echauffieren.

Licht im Dickicht der Drüsen

Auf der Webseite der Hygieneartikel-Marke Always nämlich, da finden sich derlei Unverschämtheiten unter dem Bild einer strahlenden Frau beim Tennisspielen. PMS und das Glück im pickelfreien Gesicht dieser Frau sind unvereinbar, Always, meldet euch gerne, ich sende euch ein Selfie. Gucken wir uns diese als Tipps verkleideten Unverschämtheiten doch einmal genauer an:

1. Mache Sport!: Wenn Mundsport in Form von Schreien und Schimpfen zählt, bin ich dabei, ansonsten lasst mich in Ruhe mit eurem Optimierungswahn. Ich bin einfach allmonatlich froh, diese Tage zu überleben.

2. Verzichte auf Koffein und zuckerhaltige Lebensmittel: Da bin ich sprachlos. Das also wollen sie mir auch noch nehmen? Mein einziges Licht im Dickicht der hormonellen Düsternis?!

3. Vermeide Stress: Aber gerne doch, Always, schreibst du mir eine Entschuldigung vom Leben und Funktionieren im Kapitalismus?

4. Schlaf ein bisschen mehr: Siehe oben.

5. Leg ein Verwöhnprogramm ein und nimm dir Zeit für dich selbst: Erstens siehe oben und zweitens: Der letzte Mensch, zu dem ich in dieser Zeit intensiven Kontakt pflegen möchte, bin ich selbst.

6. Geh raus!: Würde es mir nicht ohnehin schon reichen, dann spätestens jetzt! Ihr habt sie doch nicht alle! Beide eurer aktivierenden Tipps mit Ausrufezeichen zu versehen! Ihr habt mir gar nichts zu sagen!

Bitte, bevor es zu einem Eklat in der Kommentarspalte kommt: Ich weiß, dass Sport tatsächlich Linderung verschaffen kann. Nur möchte ich in erster Linie hören: Du armes, armes Hascherl, das ist schlimm, das ist ätzend, das ist unfair, das muss sich anfühlen, als würde niemals mehr irgendetwas gut!

Danach kann man mir vielleicht – vorausgesetzt, man wird von mir geliebt, ist mutig und weiß sie charmant vorzutragen – ein, zwei Tipps in die betätigende Richtung geben. Klar abstinieren möchte ich mich jedoch von der empfohlenen Koffein- und Süßigkeitenabstinenz.

5 Sep 2023

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AUTOREN

Sarah Lorenz

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