taz.de -- Deutsche Wohnen Enteignen: Kein Rahmen in Sicht

Der Senat verschleppt das Vergesellschaftungsrahmengesetz. Dabei dient es selbst nur dazu die Vergesellschaftung zu verschleppen.
Bild: Für DWE gib es schon länger nichts mehr zu feiern

Berlin taz | Der Volksentscheid für die Vergesellschaftung der großen, privaten Wohnungskonzerne droht zweieinhalb Jahre danach in Vergessenheit zu geraten. Zwar gab es eine Expertenkommission, die das Vorhaben als rechtens einstufte, doch konkrete Schritte zur Umsetzung durch den schwarz-roten Senat sind nicht abzusehen. Das geht auch aus der Beantwortung auf eine neuerliche Anfrage der Linken-Abgeordneten Niklas Schenker und Elif Eralp hervor, die der taz exklusiv vorliegt.

Sie wollten vom Senat wissen, wie es um die Erarbeitung des [1][Vergesellschaftungsrahmengesetzes] bestellt ist – jenes Vorschaltgesetzes also, mit dem die Landesregierung zunächst allgemeine Kriterien für Vergesellschaftungen festlegen will. Das von Kritiker:innen [2][als unnütz bezeichnete Gesetz] sollte ursprünglich Mitte des Jahres fertig sein, dürfte sich nun aber auf unbestimmte Zeit hinauszögern.

Wie aus der Antwort hervorgeht, gab es seit dem Auftakttreffen der beteiligten fünf Senatsverwaltungen im vergangenen September erst zwei Folgetreffen. „Gegenstand aller Termine waren verfassungsrechtliche Überlegungen, Erwägungen hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenzen des Landes Berlin sowie mögliche Anwendungsüberlegungen“, heißt es vom Senat. Dabei seien weder bestehende Gutachten etwa der Expertenkommission „Beratungsgegenstand“ gewesen, noch wurde sich Expertise von außen geholt. Für die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteure, etwa Deutsche Wohnen & Co Enteignen bestehe „keine Notwendigkeit“.

An einem beim Auftakttreffen gefassten Plan, ein [3][neuerliches Gutachten] in Auftrag zu geben, wird weitergewerkelt: „Der Bedarf für ein Rechtsgutachten“ werde noch „abgestimmt“. Und: „Die konkreten Fragestellungen sind noch nicht abschließend geklärt.“ Sollte es dazu kommen, frühestens bei einem nächsten Treffen im Juni, würde sich ein „Ausschreibungsverfahren“ anschließen. Ergo: Eine Aussage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eines Referentenentwurfs sei „derzeit nicht möglich“.

Demokratisches Problem

Schenker sagt dazu: „Der Senat ignoriert den Volksentscheid und versucht nicht einmal mehr, einen anderen Eindruck zu vermitteln.“ Er spricht von einem „demokratiepolitischen Skandal“. Eine „reine Nebelkerze“ ist das Rahmengesetz aus Sicht von DW Enteignen: „Dass selbst diese nur halbherzig geworfen wird, zeigt, wie herzlich egal CDU und SPD die existenziellen Sorgen der Berliner Mieter*innen sind“, so die Initiative, [4][die derzeit einen Gesetzes-Volksentscheid vorbereitet].

Schenker spricht von einer „verheerenden Bilanz“ nach einem Jahr schwarz-roter Wohnuungspolitik. Angesichts jüngster Zahlen zu weiter explodierenden Mietpreisen – laut Wohnmarktreport 2024 der Bank Berlin Hyp stiegen die Angebotsmieten im Vergleich zum Vorjahr um fast 19 Prozent – und vermehrt aufflammenden [5][Protesten von Mieter:innen gegen Vonovia oder die Adler Group etwa wegen Vernachlässigung der Häuser], brauche es die Vergesellschaftung der Immobilienkonzerne umso dringender.

Auf Schenkers Kritik stößt zudem dass der Senat stattdessen „teuer Wohnungen der Immobilienkonzerne“ kaufen wolle und damit deren Gewinne „stabilisiere“. Wie am Montag im Stadtentwicklungsausschuss von Senator Christian Gaebler (SPD) indirekt bestätigt wurde, laufen derzeit Verhandlungen der Howoge über den Ankauf von 5.000 Wohnungen der Vonovia in Lichtenberg, angeblich zu einem Preis von 700 Millionen Euro. Eine Entscheidung könnte bereits am Dienstag bei der Sitzung des Aufsichtsrates der Howoge fallen, die sich auf Anfrage der taz nicht äußern wollte. Laut Gaebler müssten die Unternehmen Einkäufe selbst „im Rahmen ihres Haushalts finanzieren“.

22 Apr 2024

LINKS

[1] /Debatte-ueber-Vergesellschaftung/!5953077
[2] /Debatte-ueber-Vergesellschaftung/!5953077
[3] /Vergesellschaftung-in-Berlin/!5971318
[4] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!5961670
[5] /Unhaltbare-Wohnungszustaende-in-Neukoelln/!6005379

AUTOREN

Erik Peter

TAGS

Deutsche Wohnen & Co enteignen
Vonovia
Deutsche Wohnen und Co. enteignen
Deutsche Wohnen
Deutsche Wohnen und Co. enteignen
Raed Saleh
Deutsche Wohnen und Co. enteignen
Deutsche Wohnen & Co enteignen
Grüne Berlin
Deutsche Wohnen & Co enteignen
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Kolumne Bewegung
Deutsche Wohnen und Co. enteignen
Volksbegehren
Mieten

ARTIKEL ZUM THEMA

Deutsche Wohnen & Co enteignen: Rahmen ohne Inhalt

Die schwarz-rote Koalition legt Eckpunkte für ein Vergesellschaftungs-Rahmengesetz vor. In Kraft treten soll es 2028. Von Anwendung ist nicht die Rede.

Deutsche Wohnen: Wenn es windet, wackeln die Lampen

Seit die Deutsche Wohnen die Verwaltung eines Hauses in Reinickendorf übernommen hat, gerät es in den kalkulierten Verfall. Bewohnerinnen berichten.

Ex-Senator zu Mieterhöhungen bei Vonovia: Geisel haut sanft auf den Tisch

SPD-Bausenator a. D. Andreas Geisel appelliert an Vonovia, die Mieten nicht ganz so stark zu erhöhen. Er glaubt immer noch an Selbstverpflichtungen.

Saleh und die Vergesellschaftung: Politischer Instinkt ohne Wirkung

Der SPD-Fraktionschef sieht das Scheitern der Mietenpolitik des Senats ein. Sein Vorstoß für das Rahmengesetz hilft aber nur ihm, nicht den Mietern.

Raed Saleh und die Vergesellschaftung: Plötzlich Kommunist

SPD-Fraktionschef Saleh fordert vom Senat mehr Tempo beim Rahmengesetz zur Vergesellschaftung. Die Reaktionen auf den Vorstoß fallen sarkastisch aus.

Deutsche Wohnen & Co enteignen: Experte für rechtliches Neuland

DWE hat Remo Klinger mit der Erarbeitung eines Vergesellschaftungsgesetzes beauftragt. Der treibt mit Umweltklagen die Regierung vor sich her.

Parteitag der Berliner Grünen: Machtproben der Ultra-Realos

Bei ihrem Landesparteitag üben sich die Grünen in konstruktiver Krawalllosigkeit. Die Gräben zwischen Linken und Ultra-Realos überbrückt das nicht.

Schwarz-rote Wohnungspolitik: Nichts als Politiksimulation

Teuer ankaufen und Vergesellschaftungen ideologisch ausschließen: Berlins Senat stellt Phrasen und Scheinerfolge vor echte Mietenpolitik.

Kauf von Vonovia-Wohnungen: Kleinkauf statt Großenteignung

Das kommunale Berliner Wohnungsunternehmen Howoge erwirbt 4.500 Wohnungen von Vonovia. Der Bürgermeister jubelt und erteilt Enteignung eine Absage.

Bewegungstermine in Berlin: Leben und Kämpfen im Shoppingcenter

Wir befinden uns im Jahr 2024. Die ganze Welt ist durchgentrifiziert. Die ganze Welt? Nein! Einige Verrückte hören nicht auf, Widerstand zu leisten.

Deutsche Wohnen enteignen: Senat verschleppt Enteignung

Der Entwurf für das Vergesellschaftungsrahmengesetz ist nicht vor Ende 2024 fertig. Linkspartei: Schäbiger Umgang mit demokratischen Ergebnissen.

Der Weg zum Vergesellschaftungsgesetz: „Jeden Stein dreimal umdrehen“

Aktivist Achim Lindemann verrät, wie Deutsche Wohnen Enteignen zu einem wasserdichten Gesetz kommen will – und was die großen Knackpunkte sind.

Gutachten zu Wohnungspolitik in Berlin: Enteignen ist erlaubt und effizient

Wohnungen dürfen vergesellschaftet werden. Das bestätigte jetzt die Expert:innenkommission, die darüber nach dem Volksentscheid in Berlin beraten hat.