taz.de -- Die Wahrheit: Extreme Wasserratten

Neues aus Neuseeland: Kiwis sind weltbekannt für ihre sportlichen Aktivitäten, aber eine Sportart ist ihnen die allerliebste, die Arschbombe.

Nach der Everest-Erstbesteigung wurden Kiwis fürs Bungy-Springen berühmt. Dabei sollte man den schönsten Arsch der Welt lieber für eine andere Sportart feiern. Sie ist unspektakulärer als ein Tiefensturz oder Gipfelsturm, aber verkörpert die Volksseele authentischer: schnödes Schwimmen. Nicht im Becken, sondern wild – im Ozean, in Lagunen, Flüssen und Bergseen.

Seit 22 Jahren lebe ich unter Hydrophilen. Keine Wanderung ohne Abkühlung im Wasserfall, kein Strandpicknick ohne Sprung ins Meer. Kein Wunder, dass rund 5.000 ehrenamtliche Rettungsschwimmer jederzeit bereit stehen, um Badende und Surfer zu retten. Doch wie weit die Obsession mit dem Nass zurückreicht, entnahm ich erst jetzt dem erfrischenden Buch „Swim“ von Annette Lees.

Neuseelands Ureinwohner, die einst auf Kanus den Südpazifik durchquerten, bevor sie das feuchte Inselreich Aotearoa entdeckten, sind traditionelle Wasserratten. Im Gegensatz zu den britischen Pionieren, die erst im 19. Jahrhundert einfielen, bewegten Maori sich stets so natürlich wie Fische im Wasser. Selbst ihre Kinder konnten von klein auf schwimmen. Da hatten die viktorianischen Kolonialherren und -damen viel aufzuholen.

Entlang der Kapitiküste mussten die ersten Postboten durch Flüsse schwimmen, als es dort noch keine Brücken gab. Ertrinken war damals so normal, dass es als „neuseeländischer Tod“ bezeichnet wurde. 76 Prozent aller tragischen Unfälle passierten im Wasser; Opfer waren jedoch nur die Europäer. Denn Maori hielten sich stets von Gewässern fern, wo angeblich Geister namens Taniwha ihr Unwesen treiben.

Der erste anglikanische Erzbischof, der 1841 im Land der langen weißen Wolke eintraf, war jedoch ein Schwimmfanatiker. Als George Augustus Selwyn zu Fuß und Pferd das Land missionierte, hatte er eine Luftmatratze dabei, auf der er seine Kleidung durch die Flüsse bugsierte. Das steckte an. Hundert Jahre später kraulten bereits 27.000 Kiwis in einer gigantischen „Learn to Swim“-Kampagne.

Im Jahr 2013 brach ausgerechnet die prüde Pazifiknation den Weltrekord als globale Nudistenzentrale, als sich 745 Nackte vor Gisborne in die Gischt stürzten. Stolz ist man auch auf den offiziell anerkannten Wassersport namens „Manu Bombing“. Arschbombenwettbewerbe gibt es seit rund 30 Jahren, die „Z Manu World Champs“ in Tauranga gelten als die größte Veranstaltung weltweit. In speziellen Disziplinen wie „Sarg“, „Buddha“ oder „Gorilla“ gewinnen stets Maori.

Auch mich hat es gepackt, nachdem ich mir vor ein paar Jahren den Rücken anbrach. Danach blieben Surfbrett und Rennrad für Monate in der Garage. Nur das Meer lockte im Hafen vor der Haustür und tat nicht weh. Was als Physiotherapie begann, endete im Extremismus. Schwimmen ist mein tägliches Ritual. Auch im Winter bei zehn Grad Wassertemperatur tauche ich kurz ab. Erst Schnapp-atmung, dann Euphorie. Der Hund kommt mit und schützt mich vor bösen Taniwha.

13 Nov 2025

AUTOREN

Anke Richter

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