taz.de -- Nach Razzia im Landtag Sachsen-Anhalt: CDU und AfD fragen nach Einsatzkosten

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Untreue gegen CDU, AfD und SPD. Zwei Fraktionen wollen wissen, was die Durchsuchung kostete.
Bild: Anfang Juli wurden die Fraktionsräume von CDU, SPD und AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt durchsucht

Leipzig taz | Eine knappe Woche nachdem die Polizei mit Durchsuchungsbeschlüssen die Fraktionsräume von CDU, SPD und AfD im Landtag Sachsen-Anhalts betrat, beschäftigt [1][das Thema die Politiker:innen in Magdeburg weiter]. Alle drei Fraktionen stehen im Verdacht, unzulässigerweise Geld an Abgeordnete mit besonderen Funktionen gezahlt zu haben. Bei AfD und SPD geht es um das Jahr 2021. Die CDU hörte erst in der vergangenen Woche auf, die Zulagen zu zahlen.

Anzeige erstattet hatte der Bund der Steuerzahler schon 2023. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg lehnte Ermittlungen zunächst ab, musste nach einer Beschwerde dann doch ran.

Die CDU-Fraktion bestreitet die „Zahlungen für fraktionsbezogene Leitungsfunktionen“ nicht, und betont, sie halte sie weiterhin für legal. Sie beruft sich dabei auf ein Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes (GBD) im Landtag. Der unterstützt die Arbeit im Landtag in juristischen Fragen.

Ein solches Gutachten hatte im November 2023 auch der Präsident des Landtags angefragt, Gunnar Schellenberger (CDU). Das zitierte er vergangene Woche in einer Pressemitteilung zu den Durchsuchungen im Landtag – wobei eine widersprüchliche Doppelrolle sichtbar wurde: Der Präsident ist auch Mitglied der CDU-Fraktion, gegen die die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Kleine Anfragen im Landtag Sachsen-Anhalt

Zunächst erklärte Schellenberg am vergangenen Dienstag, die Staatsanwaltschaft Magdeburg habe ihm Durchsuchungsbeschlüsse vorgelegt. Eine Durchsuchung des Landtags kann nur mit der Zustimmung des Präsidenten erfolgen. Das diene der Wahrung der räumlichen Integrität des Parlaments, so die Pressemitteilung, eine Rechtmäßigkeitskontrolle gab es nicht. Landtagspräsident Schellenber erteilte seine Zustimmung.

Dann zitierte Schellenberg eine Passage aus dem Gutachten des GBD – und das wirkte weniger nach überparteilichem Landtagspräsidenten. Laut dem zitierten Absatz dürften Fraktionen „weiterhin Aufwendungen erstatten, die im Zusammenhang mit der Ausübung besonderer Aufgaben in der Fraktion entstehen“. Haben die Fraktionen also gar nichts falsch gemacht?

Zu dem Schluss könnte der Landtagspräsident nur kommen, wenn er das Gutachten selektiv zitiert. Auf Nachfrage gewährte der Landtag der taz Einblick in das gesamte Gutachten. Ein paar Sätze vor der zitierten Stelle steht dort, dass „zusätzliche Entschädigungen“ für „besondere parlamentarische Funktionen aus Mitteln der Fraktion“ dem Abgeordnetengesetz nach untersagt sind.

Mit den Zulagen hatte sich 2023 auch der Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt beschäftigt. Ergebnis: Geld für diese Ämter zu zahlen, sei „nicht vereinbar“ mit dem Abgeordnetengesetz. Andere Fraktionen wie Grüne und Linke zahlen schon lange keine Zuschläge mehr. Die SPD stellte nach 7.500 Euro ihre Zahlungen ein.

Aus Rechnungslegungen bis 2023 und einer Stellungnahme der CDU-Fraktion geht hingegen hervor, dass sie jährlich zwischen 47.000 und 66.000 Euro an Zuschlägen zahlte, aufgeteilt an den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, die Arbeitsgruppenvorsitzenden und die Obleute der CDU-Fraktion im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss sowie der Enquete-Kommission.

Bei der AfD sind es laut Rechnungslegung von 2021 25.600 Euro. Laut einem Bericht des Newsletter-Dienstes Table Media verdächtigt die Staatsanwaltschaft Magdeburg den AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner, das Geld an seine Vizechefs gezahlt zu haben: Mario Lehmann, Tobias Rausch und [2][Ulrich Siegmund].

Anfrage zu Kosten des Einsatz

Nach der Durchsuchung im Landtag gibt es nun zwei Anfragen aus den Reihen der CDU und AfD. Den AfD-Abgeordneten Tobias Rausch – mittlerweile parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion – interessiert demnach, wie viele Beamte bei der Durchsuchung im Einsatz waren und wie hoch die Gesamtkosten waren.

Auf ähnliche Informationen zielt die Anfrage des CDU-Abgeordneten Marco Tullner, der als Obmann für die Enquete-Kommission bis zum Donnerstag Geld von der Fraktion bekam. Er wüsste zudem gerne: „Erachtet das Justizministerium die entstandenen Kosten als notwendig und angemessen für die Ermittlungsarbeit in diesem Verfahren?“

Geht es um Informationen zum Ermittlungsverfahren, verweist das Justizministerium auf die Staatsanwaltschaft Magdeburg. Allerdings ist eine Personalbesetzung des Justizministeriums in der Affäre durchaus belastet. Der aktuelle Staatssekretär im Justizministerium Steffen Eckold war bis 2022 Geschäftsführer der CDU-Fraktion.

Laut [3][Justizministerium] erklärte sich Eckold schon 2023 für befangen, als die erste Ermittlung im Zuge der Anzeige des Bunds der Steuerzahler bekannt wurde. Er sei in die Vorgänge zur Ermittlung weder direkt noch indirekt involviert. Im Übrigen habe aber auch Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) erst von den Durchsuchungen im Landtag erfahren, nachdem diese begonnen hatten.

8 Jul 2025

LINKS

[1] /Verdacht-auf-Veruntreuung/!6097630
[2] /Geheimtreffen-mit-Rechtsextremen/!5984871
[3] /Sicherheits-Leak-in-der-JVA-Burg/!6060969

AUTOREN

David Muschenich

TAGS

Sachsen-Anhalt
CDU
Schwerpunkt AfD
Razzia
Social-Auswahl
Schwerpunkt AfD
Maja T.
Bundesverfassungsgericht
CDU/CSU

ARTIKEL ZUM THEMA

Rechtsextreme in Staatsdienst: Rheinland-Pfalz stellt keine AfD-Mitglieder mehr ein

Bewerber für den Staatsdienst in Rheinland-Pfalz müssen künftig erklären, dass sie keiner extremistischen Organisation angehören. Das trifft vor allem AfD-Mitglieder.

Vater von Maja T.: Zu Fuß bis ins Auswärtige Amt

Wolfram Jarosch kämpft um sein Kind: Nun ist der Vater von Maja T. nach Berlin gelaufen und hat dort eine Petition übergeben.

Wahl neuer Verfassungsrichter:innen: Zu links für Karlsruhe?

Frauke Brosius-Gersdorf ist die SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht. Abtreibungsgegner:innen versuchen mithilfe der Union ihre Wahl zu verhindern.

Wollen mit AfD zusammenarbeiten: CDU-Kreisverband fordert Ende der Brandmauer

In Sachsen-Anhalt stellt der CDU-Kreisverband im Harz den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der AfD infrage. Es ist nicht der erste Versuch aus der Ecke.