taz.de -- EU-Klimaziel für 2024: Klimavorgaben kommen vom Ziel ab

Die EU-Kommission stellt am Mittwoch das CO2-Ziel für 2040 vor. Grüne kritisieren Aufweichung der Vorgaben und einen „Ablasshandel“.
Bild: „Ablasshandel“ für Klimasünder, statt auf das CO₂-Ziel für 2040 hinzuarbeiten

Brüssel taz | Frankreich und Polen haben Widerstand geleistet und eine Verschiebung gefordert. Dennoch will die EU-Kommission am Mittwoch mit mehreren Monaten Verspätung ihr neues europäisches Klimaziel für 2040 vorstellen. Es dürfte sich an Deutschland ausrichten und die Vorgaben zur CO₂-Reduzierung innerhalb der EU aufweichen. Glücklich ist damit niemand – in Brüssel zeichnet sich Streit ab.

Nach Angaben von EU-Insidern will Klimakommissar Wopke Hoekstra am Ziel festhalten, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Allerdings will er ein Schlupfloch öffnen. Die 27 EU-Staaten sollen offenbar die Möglichkeit erhalten, sich bis zu 3 Prozent CO₂-Einsparungen durch Gutschriften für Projekte in Drittstaaten anrechnen zu lassen.

Das gehe gar nicht, schimpfen die Grünen im Europaparlament. Die so genannten Artikel-Sechs-Gutschriften, die bei der Klimakonferenz in Baku eingeführt worden waren, seien kein geeignetes Instrument der Klimapolitik. Damit werde ein „Ablasshandel“ für Klimasünder eingeführt, sagt der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss. Dabei sei nicht einmal klar, nach welchen Regeln dies gehen solle.

„Wer zahlt, wer kauft die Gutschriften, wer überwacht das Ganze?“ Der Vorschlag sei unausgegoren, meint Bloss, und könne den Handel mit Emissionszertifikaten untergraben. Ähnlich äußerte sich die österreichische Klimaaktivistin und EU-Abgeordnete Lena Schilling. „Die EU will Vorreiter beim Klimaschutz sein. Nun muss sie es beweisen.“ Hoekstras Pläne seien inakzeptabel, so Schilling.

Das meint auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron – allerdings aus einem ganz anderen Grund. Für den rechtsliberalen Franzosen schießt die EU-Kommission über das Ziel hinaus. Die Vorgaben zur Klimapolitik seien allzu starr und trügen den veränderten internationalen Rahmenbedingungen keine Rechnung, kritisierte Macron beim EU-Gipfel am vergangenen Donnerstag in Brüssel.

Frankreich will mehr Atomkraft

Einfach nur Ziele zu setzen reiche nicht mehr aus, sondern führe in eine Sackgasse, hieß es in Macrons Umfeld. Die EU-Kommission müsse bedenken, dass die USA aus den Pariser Klimazielen ausgestiegen sind – und dass [1][China aggressiv auf den Markt für „Cleantech“ dränge]. Außerdem müsse der „energiepolitische Rahmen“ stimmen – ein verstecktes französisches Plädoyer für mehr Atomkraft.

Rückendeckung bekam Macron aus Polen und einigen anderen Staaten. Nach Angaben von Diplomaten unterstützten am Ende nur drei EU-Länder ein striktes Klimaziel. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hielt sich dagegen bei seinem ersten EU-Gipfel zurück. Er hat keinen Grund zu Klage – denn der Vorschlag wird, wenn er wie erwartet kommt, weitgehend den Wünschen Deutschlands entsprechen.

Laut Koalitionsvertrag setzt sich die Bundesregierung dafür ein, „hoch qualifizierte, zertifizierte und permanente Projekte (maximal drei Prozentpunkte des 2040-Zwischenziels) in außereuropäischen Partnerländern“ zuzulassen. Im Klartext: Berlin will künftig andere Länder dafür bezahlen, den klimaschädlichen CO₂-Ausstoß zu vermeiden, damit man es nicht selbst machen muss.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) dürfte den deutschen Wünschen folgen. Sie hat ihren [2][„European Green Deal“] in den letzten Wochen bereits massiv ausgehöhlt. Nun folgt der nächste Akt. Der Vorschlag der EU-Kommission muss allerdings auch noch durch den Ministerrat – dort dürfte er weiter verwässert werden.

1 Jul 2025

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AUTOREN

Eric Bonse

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