taz.de -- Trainerwechsel im Aufstiegskampf: Der Feuerwehrmann im Fußball
Klubs in Aufstiegsnähe engagieren nach dem ersten Schwächeln immer häufiger den vermeintlich großen Retter. Die Zweite Liga setzt verrückte Maßstäbe.
Gegen Ende der Saison häuft sich in der bildersatten Sprache des Fußballs eine Metapher besonders verlässlich. Bei Klubs in größter Not, die um ihre Existenz in ihrer Spielklasse fürchten, beginnt früher oder später ein Feuerwehrmann mit seiner Arbeit. In den Archiven der Sportberichterstattung findet der Feuerwehrmann fast so viel Beachtung wie im Lokalressort.
In der Zweiten Fußball-Bundesliga ist in dieser Spielzeit jedoch ein ungewöhnlicher Trend zu beobachten. Das Arbeitsprofil des Feuerwehrmanns wird gerade umgeschrieben. Er wird nun nicht mehr als Retter von Existenzen eiligst eingestellt, sondern als entscheidender Umzugshelfer in die Beletage des deutschen Fußballs, um eine weitere beliebte Metapher ins Spiel zu bringen.
So befiel zuletzt [1][den schwächelnden 1. FC Köln die panische Angst,] in den letzten beiden Spielen doch noch von einem Aufstiegsplatz in die Eliteliga abzurutschen. Dem Armenhaus der Zweiten Liga wollen die Kölner schleunigst entkommen, bescherte ihnen doch der Abstieg aus der Vorsaison einen Umsatzeinbruch von geschätzten 40 Prozent. So verkündete das Kölner Boulevardblatt Express diese Woche nach der Verpflichtung des 71-jährigen Trainers Friedhelm Funkel erwartungsvoll: „Der Feuerwehrmann legt los“.
Freilich hat jeder Trainerwechsel seine eigene Geschichte und Hintergründe. Ein gewisser Hang zur Imitation lässt sich in der Zweiten Liga aber nicht mehr ausschließen. Trendsetter dieser Bewegung war womöglich der Hamburger SV, der im November, nur einen Sieg von einem Aufstiegsplatz entfernt, zu der Erkenntnis kam, mit Trainer Steffen Baumgart diesen Rückstand nicht aufholen zu können. Dem Assistenten [2][Merlin Polzin wurde das Vertrauen geschenkt,] und siehe da, der HSV setzte sich einstweilen an der Spitze der Tabelle fest.
Bedenkliche Nicht-Explosion
Beim 1. FC Kaiserslautern hat man das offenbar genau verfolgt. Beim Traditionsklub, der 2024 beinahe abgestiegen wäre, ehe dann Feuerwehrmann Funkel seine klassische Rettungsmission startete, hat man vor dieser Saison eigentlich von einem nervenschonenden einstelligen Tabellenplatz geträumt. Als dann Trainer Markus Anfang mit dem Team alle Erwartungen übertraf, nutzte ihm das wenig. Vier Spieltage vor Schluss, nur ein Sieg von einem Aufstiegsplatz entfernt, wurde er wegen einer kleinen Ergebniskrise davor entlassen. „Vor allem die Nicht-Explosion der Mannschaft war bedenklich“, argumentierte FCK-Geschäftsführer Thomas Hengen und holte ebenfalls einen Feuerwehrmann mit neuem Aufgabenprofil.
Hannover 96, im Aufstiegsrennen auch noch dabei, hat in dieser Saison sogar gleich zweimal den Trainer ausgetauscht, um irgendwie vielleicht doch in die erste Liga zu kommen. Der letzte Rauswurf mit [3][André Breitenreiter] erfolgte fünf Spieltage vor Schluss. Und womöglich wäre auch der HSV ein zweites Mal schwach geworden, hätte man nicht vergangenes Wochenende mit dem Sieg in Darmstadt die kleine Negativserie gestoppt.
Je mehr Traditionsvereine sich in dieser Liga drängen, die ihren natürlichen Lebensraum in der Gesellschaft von Bayern München und Borussia Dortmund verorten, desto größer scheint die Neigung zu irrationalem Handeln zu sein.
Vor Jahren verwahrte sich die auflagenstärkste deutschsprachige Fachzeitschrift für Feuerwehr und Brandschutz gegen die Metapher des Feuerwehrmanns im Fußball.
Vor allem mit dem Wort Abstieg wollte man den eigenen Berufsstand nicht in Verbindung gebracht sehen. Die neueste Entwicklung dürfte man an dieser Stelle begrüßen. Rette sich, wer kann, in die erste Liga!
9 May 2025
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