taz.de -- +++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Viele Menschen in Gaza demonstrieren gegen die Hamas

In Nord- und Südgaza gehen am Abend Hunderte auf die Straßen und skandieren Anti-Hamas-Parolen. Auch in Israel halten die Proteste gegen die Regierung an.
Bild: Zwischen den Trümmern ihrer Existenz: Menschen in Gaza-Stadt am 25. März

Demos gegen Hamas in Gaza

Hunderte Palästinenser haben im Gazastreifen für ein Ende des Kriegs mit Israel demonstriert. In spontanen Märschen forderten in Beit Lahia im Norden des Küstenstreifens einige Demonstranten nach Angaben von Augenzeugen auch ein Ende der Hamas-Herrschaft in dem weitgehend zerstörten Küstenstreifen. Viele – vor allem junge – Menschen forderten in Sprechchören, den seit eineinhalb Jahren tobenden Krieg zu beenden. „Hamas raus!“, riefen Demonstranten.

Auch im nahegelegenen Dschabalija sowie in Chan Yunis im Süden des abgeriegelten Küstengebiets kam es zu ähnlichen Protesten. Solche Demonstrationen gelten als selten im Gazastreifen. Die islamistische Hamas ist dafür bekannt, hart gegen interne Gegner vorzugehen. In sozialen Medien gab es dennoch Aufrufe zu einer Fortsetzung der Proteste auch heute.

Am Montag hatten Mitglieder der Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Dschihad (PIJ) aus dem nördlichen Teil des Gazastreifens Raketen auf Israel abgefeuert. Die israelische Armee veröffentlichte daraufhin Räumungsbefehle für Beit Lahia und Beit Hanun.

Der Arabischlehrer Mohammed al-Kilani, ein Teilnehmer der Proteste, schilderte seine tiefe Frustration über die schlimme Lage im Gazastreifen. „Wir sind keine Zahlen in den Nachrichten“, sagt der Vater von zwei Kindern aus Beit Lahia der Deutschen Presse-Agentur. „Wir sind Menschen mit Familien und Träumen.“ Er sei müde vom Krieg, der ihnen das Leben zerstöre. „Jeden Tag, wenn ich mein Haus verlasse, bin ich nicht sicher, ob ich meine Kinder wiedersehe oder ob ich morgen überhaupt noch leben werde.“ Die Einwohner des Gazastreifens seien „Geiseln von Menschen, denen wir egal sind“, sagt er. Dies gelte auch für die Hamas.

Der 50-jährige Abu Chaled Abu Rajasch sagte, er habe alles verloren, sein Laden sei im Krieg zerstört worden. „Ich habe keinen Lebensunterhalt mehr, mein Haus ist zerstört, meine Kinder sind Flüchtlinge geworden“, sagte er. „Die Hamas sagt uns, wir sollen geduldig sein, aber sie leben in Sicherheit. Ihre Kinder werden nicht bombardiert.“

Mahmud Al-Hawadschri verlor wegen des Kriegs seine Arbeit im Baubereich. „Als wir aufgewachsen sind, haben sie uns von einer besseren Zukunft erzählt, die aber nie gekommen ist. Unsere Kindheit ist vorbei, unsere Jugend verschwendet, und wir träumen immer noch von einem normalen Leben.“ Auch er ist wütend über die Führung im Gazastreifen. „Wir sollten nicht immer wieder den Preis für Anführer bezahlen müssen, die sich nur um ihre eigene Macht scheren.“ (dpa)

Auch in Israel neue Proteste gegen die Regierung

Auch in Jerusalem kam es erneut zu Protesten gegen die Politik der rechtsreligiösen israelischen Regierung. Vor dem Parlament demonstrierten Hunderte Menschen, während der neue Haushalt verabschiedet wurde. Nach Medienberichten kam es erneut zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei sowie mehreren Festnahmen. Seit dem Neubeginn des Gazakriegs hatten sich auch die Proteste in Israel gegen die Regierung von Benjamin Netanjahu verschärft. (dpa)

Zentralrat der Juden kritisiert Bundesregierung

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat der Bundesregierung im Umgang mit den Hamas-Geiseln fehlendes Engagement vorgeworfen. „Die Bundesrepublik Deutschland hat mich enttäuscht, was ihr öffentliches Eintreten bezüglich des Schicksals der Hamas-Geiseln angeht“, sagte Schuster dem Tagesspiegel (Mittwochausgabe). Insbesondere dem Auswärtigen Amt unter Annalena Baerbock (Grüne) machte er schwere Vorwürfe. „Gerade das Auswärtige Amt hat sich meist vornehm zurückgehalten, um vermeintliche Verhandlungspartner nicht zu verprellen.“

Aufrufe zur Freilassung der Geiseln seien „meist mit mahnenden Worten an Israel ergänzt“ worden, kritisierte Schuster und fügte hinzu: „Was für eine Indifferenz!“

Zuletzt sei das „gähnende Schweigen“ zur Beerdigung von Shiri Bibas und ihrer beiden kleinen Kinder Kfir und Ariel Bibas aufgefallen, „die auch die deutsche Staatsangehörigkeit besessen haben und deren Schicksal unser aller Herzen zerrissen hat“. Dies sei „ein Tiefpunkt deutscher Außenpolitik“. (afp)

Bundesverwaltungsgericht verhandelt zu BDS

Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geht es am Mittwochvormittag um die antiisraelische BDS-Kampagne. Unterstützer der Kampagne klagen gegen einen Bundestagsbeschluss von 2019. Das Parlament stellte damals fest, dass Argumentationsmuster und Methoden der Bewegung antisemitisch seien und das Existenzrecht Israels infrage stellten. Es forderte die Bundesregierung sowie Länder, Städte und Gemeinden auf, keine BDS-Veranstaltungen zu unterstützen.

Die Klage gegen den Beschluss hatte vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg keinen Erfolg. Nun verhandelt das Bundesverwaltungsgericht. Ob am Mittwoch bereits eine Entscheidung fällt, ist unklar. Die international aktive Bewegung Boycott, Divestment and Sanctions (BDS – deutsch: Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) fordert aus Protest gegen die Behandlung der Palästinenser eine Isolation Israels. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stufte sie im Verfassungsschutzbericht 2023 als extremistischen Verdachtsfall ein. (afp)

Tote im Süden von Syrien

Bei einem israelischen Angriff im Süden Syriens sind nach Angaben der Regierung in Damaskus mindestens sechs Menschen getötet worden. Das syrische Außenministerium erklärte am Mittwoch, Israel habe bewohnte und landwirtschaftlich genutzte Gebiete im Dorf Kuwaja in der südlichen Provinz Daraa mit schwerer Artillerie beschossen und aus der Luft bombardiert. Dabei seien sechs Zivilisten getötet worden.

Das Außenministerium sprach von einer „gefährlichen Eskalation“ des anhaltenden militärischen Vorgehens Israels auf syrischem Territorium. Es verurteilte eine „eklatante Verletzung der nationalen Souveränität und des Völkerrechts“. Zunächst hatten die syrischen Behörden von fünf Toten gesprochen. Kuwaja liegt nahe der Pufferzone der Golanhöhen.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, eine „israelische Militäreinheit“ sei in Kuwaja eingedrungen. Die Soldaten hätten dann mit schwerer Artillerie auf Bewohner geschossen, die sich ihnen entgegengestellt hätten. (afp)

26 Mar 2025

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