taz.de -- Flüchtlingscamp in Berlin-Kreuzberg: Oranienplatz reloaded
Geflüchtete wollen wieder auf dem symbolträchtigen Platz in Kreuzberg für ihre Rechte demonstrieren. Sie sprechen von Besetzung.
Berlin taz | Im März soll es wieder ein [1][Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz in Kreuzberg] geben. Jedenfalls, wenn man den InitiatorInnen aus Einzelpersonen glaubt, die auf Instagram dazu aufrufen. „Wir kommen im März 2025 zusammen, um für Flüchtlingsrechte und Klimagerechtigkeit zu kämpfen“, steht dort. „Bringt eure Zelte und Schlafsäcke mit. Wenn ihr keine habt, gibt es Zelte und Schlafsäcke auf dem Camp.“
Vom 1. bis 31. März soll es Workshops, Konzerte, Diskussionsveranstaltungen, Beratungen, Sprechstunden und Angebote für Kinder geben. Täglich 15 Uhr sei ein informelles Treffen bei Tee geplant. Das noch nicht endgültig feststehende Tagesprogramm findet sich auf Instagram @oplatzunited. Die Forderungen des Protestcamps sind ein Abschiebestopp, die Abschaffung der Bezahlkarte und die Anerkennung von Klimakrisen als Fluchtgrund.
Die Initiatoren knüpfen ganz bewusst an die Tradition des Oranienplatzes an. Am 6. Oktober 2012 trafen hier rund 70 Geflüchtete und 100 Unterstützen aus dem gesamten Bundesgebiet ein, die rund 600 Kilometer Fußmarsch hinter sich hatten. Sie [2][forderten ein Bleiberecht für alle, keine Residenzpflicht, keine Massenunterkünfte]. In den folgenden Monaten flohen viele Betroffene zusätzlich auf den Oranienplatz, die ihr Aufenthaltsrecht verloren hatten und sich in Zelten und selbst gezimmerten Bretterbuden eine Existenz schufen und von hier aus auch nicht abgeschoben wurden. Es gab selbst organisierte Proteste vor Kirchen, Botschaften sowie auf dem Platz selbst.
Dem Senat war die immer größer werdende Elendssidlung zunehmend ein Dorn im Auge. Es gab Verhandlungen, so dass die Flüchtlinge im April 2014 der Räumung des Camps zustimmten. Im Gegenzug brachte der Senat sie kurzzeitig in Hostels unter, bezahlte Sprachkurse und Sozialarbeiterinnen und sagte eine Prüfung des Bleiberechts zu. Das erhielten jedoch nur eine kleine Zahl der Oranienplatzbewohner. Ein Jahr nach der Besetzung hatten von einst 576 Männern nur drei einen Aufenthaltstitel, wenige andere eine Duldung.
Wiederkehr an den O-Platz
Nachdem sie nur wenige Monate später ihr Hostel wieder räumen mussten, kamen einige in kirchlichen Einrichtungen unter, [3][andere glitten in die Obdachlosigkeit ab oder wanderten weiter in andere EU-Staaten]. Viele Schicksale sind unbekannt. Einige der damals aktiven Flüchtlinge sind heute wieder unter den Initiatoren der Oranienplatzinitiative.
Politisch hatte sich allerdings einiges bewegt: Die Residenzpflicht wurde abgeschafft genau wie Sachleistungen für Flüchtlinge, die gerade wieder in Form von Bezahlkarten und Mahlzeiten in den Unterkünften geschaffen werden. Abschiebehaft wurde gesetzlich nur noch in wenigen Ausnahmen zulässig. Auch das wird gerade wieder zurückgedreht.
Die Polizei bestätigt gegenüber der taz die Anmeldung der Veranstaltung auf dem Oranienplatz. Allerdings sei kein Camp angemeldet, sagt ein Sprecher, sondern eine Kundgebung täglich von 9 bis 24 Uhr. Nachts auf dem Platz zu schlafen, sei also nicht vorgesehen. Im Gegensatz dazu sprechen die Initiatoren von einer „Besetzung“ des Oranienplatzes.
Prinzipiell ist in Berlin das Zelten außerhalb von öffentlichen Zeltplätzen im öffentlichen Raum verboten. Da dies jedoch meist Obdachlose tun, die in einem Zelt ein kleines Stück Schutz finden, drücken Bezirke meist ein Auge zu.
28 Feb 2025
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