taz.de -- momentaufnahmen: Wenn ein Gartenzwerg den Ehefrieden stört
Zum Spaziergang mit meiner Hündin suche ich mir die schönen Strecken aus. Ein Weg bei Freiberg ist besonders reizvoll. Rechts der Neckar, wo man ab und zu mal ein mit Sand beladenes Frachtschiff sieht, links ziehen sich gut gepflegte Kleingärten den Hang hinauf. „Mei Stückle is my castle“ hat dort jemand auf ein Holzbrett gemalt.
Als mir ein älteres Ehepaar entgegenkommt, wird es komisch. Er hat eine Kamera dabei und sucht offenbar ständig nach Motiven in den Gärten. Sie läuft gut zehn Meter vor ihm, mahnt zur Eile und ruft ständig: „Mach schon.“ Plötzlich bleibt er aufgeregt an einem Gartenzaun stehen, vor sich einen gut 1,50 Meter großen Gartenzwerg mit grüner Weste und roter Zipfelmütze. Er macht viele Fotos, während seine Frau murrend immer weiterläuft.
Plötzlich wird er laut. „Jetzt warte doch“, ruft er. Ich verdrücke mich, auf dem Rückweg sehe ich die beiden wieder.
Er steht wieder an einem Zaun und macht Fotos. Auf dem Grundstück steht ein Leiterwagen, geschmückt mit winterharten Blumen, man sieht ein hölzernes Rad und eine Feuerstelle. „Immer noch auf Motivjagd?“, frage ich. „Ja“, sagt er. Von seiner Frau ist nichts mehr zu sehen.Jörg Palitzsch
1 Mar 2025