taz.de -- Ampelkoalition gescheitert: Endlich!

Olaf Scholz entlässt den Finanzminister. Auch wenn der Zeitpunkt schwierig ist: Neuwahlen sind richtig.
Bild: Olaf Scholz bei seiner Rede zum Ende der Ampel: Nach außen noch ganz staatsmännisch, aber innerlich schon Wahlkämpfer

Drei Jahre nach ihrem Start, [1][mit fröhlichen Selfies] und dem selbstgewählten Label als „Fortschrittskoalition“, ist die erste Ampel-Koalition der Bundesrepublik Geschichte. Und die Frage ist, ob dies nun endlich passiert ist oder ausgerechnet jetzt.

[2][Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entlässt seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP)]. Und er nutzt diesen Anlass, um die wohl beste Rede zu halten, die er als Bundeskanzler gehalten hat. Statt Scholzomatischer Robotik spricht er in klaren Sätzen: Lindner habe sein Vertrauen gebrochen, habe parteitaktisch agiert.

Es ist eine für Scholz' Verhältnisse emotionale Abrechnung mit seinem Finanzminister, den er noch bis vor kurzem immer verteidigt hat, oft zum Missfallen seiner eigenen Partei und seines zweiten Koalitionspartners, der Grünen.

Scholz hat diesen Schritt für Mittwochabend offenbar genau geplant: Denn er ist nicht nur klar in seiner Abrechnung, sondern auch in dem, was jetzt folgen soll: Bis Weihnachten will er die wichtigsten Gesetze in den Bundestag einbringen, um damit die Wirtschaft zu stärken. Mitte Januar will er die Vertrauensfrage stellen, damit es Ende März Neuwahlen gibt – passenderweise kurz nach den Bürgerschaftswahlen in der SPD-Hochburg Hamburg.

Mit diesem Zeitplan setzt Scholz den Oppositionsführer Friedrich Merz unter Druck. Zieht der mit, stärkt er seinen Konkurrenten ums Kanzleramt im Wahlkampf. Boykottiert Merz die Reformen zur Stärkung der Wirtschaft, könnte Scholz ihm vorwerfen, dass ihm Parteitaktik wichtiger ist als das Wohl des Landes.

Scholz mutiert zum Wahlkämpfer

Nach [3][dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA] hatten viele erwartet, dass sich die Bundesregierung an diesem Abend [4][noch einmal zusammenraufen werde.] Tatsächlich sah der für heute angesetzte Krisengipfel ja noch mal provinzieller aus als ohnehin schon: Da [5][gewinnt ein Rechtsextremist die Wahlen in der mächtigsten Demokratie der Welt], die Zukunft des Westens ist ungewiss, und der deutsche Finanzminister will bei einem abendlichen Proseminar seinen Koalitionspartnern seine Vorstellungen von Ordoliberalismus erklären.

Doch diese Koalition ist nicht an ein paar Milliarden im Haushalt gescheitert. Lindner war längst in den Wahlkampfmodus übergegangen und handelte nur noch aus Parteitaktik. Selbst das Ergebnis der US-Wahlen hat offenbar nicht dazu geführt, dass der Finanzminister zurück in die staatspolitische Verantwortung wechselt.

Mit dem heutigen Tag ist nun auch Scholz zum Wahlkämpfer mutiert, auch wenn er nach außen sein Handeln natürlich ganz staatsmännisch mit dem Wohle Deutschlands begründet. Bleibt die Frage, warum er so lang dafür gebraucht hat, um zu erkennen, dass mit dieser FDP kein Staat mehr zu machen war, in einer langen Wirtschaftskrise und mit einem Krieg in Europa. Und ob die Wählerinnen und Wähler ihm dieses lange Abwarten bei den kommenden Neuwahlen noch vorwerfen werden oder sie vergesslich genug sind.

Nicht weiter durchwurschteln

Am 20. Januar wird Donald Trump in den USA vereidigt. Nach dem Zeitplan von Olaf Scholz steht dann bereits ein Wahltermin fest. Deutschland ist ab heute im Wahlkampf. Und es ist eine absurde Vorstellung, dass der Bundeskanzler über die Marktplätze der Republik turnen soll, um noch ein paar Rentner von der Sozialdemokratie zu überzeugen, während Trump die Weltordnung verändert, mit unabsehbaren Folgen für den gesamten Westen, aber auch die Ukraine, Israel und Palästina.

Aber ist der Schritt hin zu Neuwahlen deshalb falsch? Es stimmt, das Timing ist schwierig, und Stabilität kann manchmal ein Wert für sich sein. Doch ein Weiter-so der Ampel wäre eine noch schlechtere Nachricht gewesen. Denn eine Lehre aus Trumps Wahlsieg ist auch: Mitte-Parteien, die sich weiter durchwurschteln, haben gegen den Rechtspopulismus auf Dauer keine Chance.

6 Nov 2024

LINKS

[1] /Selfie-von-Gruenen-und-FDP/!5800695
[2] /Ampelkoalition-zerbricht/!6047487
[3] /Trumps-Wahlsieg-in-den-USA/!6044248
[4] /Ampelkoalition-nach-Trump-Sieg/!6047375
[5] /Trump-erneut-gewaehlt/!6047329

AUTOREN

Kersten Augustin

TAGS

Ampel-Koalition
Olaf Scholz
Christian Lindner
GNS
Ampel-Koalition
Ampel-Koalition
Ampel-Koalition
Ampel-Koalition
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Ampel-Koalition
Ampel-Koalition
Ampel-Koalition
Pro und Contra
Ampel-Koalition

ARTIKEL ZUM THEMA

Nach dem Ampel-Aus: Energiebranche fordert geplante Vorhaben ein

Der Bundestag soll den Ausbau von erneuerbaren Energien sichern. Wirtschaftsverbände sind für schnelle Neuwahlen.

Bundestagshaushalt nach Ampel-Aus: Welches Geld fließt weiter?

Das Ende der Ampel betrifft auch die Staatsfinanzen und den nicht beschlossenen Bundeshaushalt 2025 – etwa die Ukraine-Hilfe oder Steuersenkungen.

Grüne nach Ampel-Aus: Wahlkampf in der Einarbeitungsphase

Für die Grünen kommt das Aus der Ampel-Koalition zu einem ungünstigen Zeitpunkt: schlechte Umfragewerte, neuer Vorstand, inhaltliche Uneinigkeit.

Das Ampel-Aus und die Folgen für Hamburg: Olaf Scholz steht am 2. März nicht zur Wahl

Hamburgs Bürgermeister Tschentscher pocht darauf, die Bundestags- von der Bürgerschaftswahl zu trennen. Schwer zu sagen, wer vom Ampel-Aus profitiert.

Auflösung der Ampel-Regierung: Holpriger Versuch endgültig gescheitert

Das Aus der Ampel ist kein Grund zur Freude. Ihr Scheitern markiert wohl das Ende der langen Hegemonie der Linksliberalen in der Bundesrepublik.

+++ Ampelkoalition zerbricht +++: Lindner findet sich spitze

FPD-Chef will Spitzenkandidat werden. Wissing und Özdemir werden Doppel-Minister. Die Union will schnellere Neuwahl. Ver.di schimpft. Die Nachrichten zum Ampel-Aus im Ticker.

Scheitern der Ampelkoalition: Ampel aus die Maus

Die Bundesregierung ist Geschichte. An einem Tag, an dem sich die Ereignisse überschlagen, kündigt Scholz Neuwahlen im März an und feuert den Finanzminister.

Ampelkoalition zerbricht: Scholz will Vertrauensfrage stellen

Kanzler Scholz schmeißt Lindner aus dem Finanzministerium. Außerdem will Scholz die Vertrauensfrage stellen, darüber soll der Bundestag im Januar 2025 abstimmen.

Pro und Contra zum Ampel-Streit: Sollen wir jetzt auch wählen?

In den USA wird noch ausgezählt, in Deutschland stehen Neuwahlen im Raum. Ist die Ampel am Ende und sollte es Neuwahlen geben? Ein Pro und Contra

Regierungskrise der Ampel: Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?

Nach dem Wirtschaftspapier der FDP muss die Regierung ein paar Fragen klären. Scholz hat Lindner und Habeck einbestellt. Nagelprobe wird der Haushalt.