taz.de -- berliner szenen: Bisschen Ostalgie mit Schuss

Am Wochenende begleitete ich meinen Freund und seine zehnjährige Tochter auf eine Messe für Ostprodukte in Karlshorst. Die Messe lag direkt neben der Trabrennbahn und warb damit, „bekannte ostdeutsche Klassiker wiederzuentdecken“. Da ich in Westdeutschland geboren wurde, fehlt es mir an Ostalgie – aber wer weiß, vielleicht würde ich sie dennoch spüren zwischen all den bunten Plastikeierbechern in Huhnform und Spreewaldgurken aus dem Glas. Viel mehr Kitsch und Kult aus der DDR fiel mir auf dem Hinweg nicht ein. Wenn ich heute an Ostdeutschland denke, dann denke ich – auch wenn ich weiß, dass das nur einen Teil abbildet – an die AfD. Würden auf der Messe die AfD oder die Themen der AfD ein Thema sein? Bitte nicht, dachte ich, als ich die 2 Euro für den Eintritt hinlegte und von einem älteren Herrn empfangen wurde, der mir Wurst präsentierte.

Gab es in der DDR auch fleischlose Klassiker? Das fragte ich mich, als ich von dem Tablett mit den kleinen Wurststücken zur ersten Imbissbude blickte, die mit „Original Ost-Ketwurst“ warb. Eine Wurst im Brötchen, dazu sehr viel rote Soße – wie eine Mischung aus Hotdog und Currywurst sah das für mich als Vegetarierin aus. Eine andere Imbissbude warb mit Pferdewurst, etwas makaber, trabten doch lebende Pferde direkt hinter der Bude vorbei.

Meine Vorstellungen von ostalgischem Kitsch wurden dann nicht enttäuscht – ich kaufte mir eine senfgrüne Plastikente, gefüllt mit Badeschaum. Als wir uns draußen auf eine Bierbank setzten und ich etwas die Gespräche meiner Sitznachbarn belauschte, stellte ich erleichtert fest: Hier auf der Ostmesse schienen die Leute nicht vom Hass der AfD zerfressen. Lieber aßen sie Ketwurst und tranken Likör, der nach Käsekuchen schmeckte. Prost auf diesen Osten! Eva Müller-Foell

29 Oct 2024

AUTOREN

Eva Müller-Foell

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