taz.de -- Visionen für den Elbtower: „Er soll die Kultur bereichern“
Seit Monaten stehen die Bauarbeiten am Elbtower still. Architekturstudierende stellen am Freitag in Hamburg ihre Visionen für eine Umnutzung vor.
taz: Herr Halbach, Herr Ebel, welche Visionen haben sich Ihre Studierenden für die Zukunft des Elbtowers überlegt?
Volker Halbach: Wir haben eine einzige Vorgabe gemacht: dass der Elbtower nun die Hamburger Kulturlandschaft und seine Nachbarschaft bereichern soll. Die [1][künftige Nutzung] ist also bei allen Visionen eine ganz ähnliche – und dennoch sind ganz unterschiedliche Ideen entstanden: Das geht vom Weiterbau bis zur Demontage in einzelne Bauteile.
Rüdiger Ebel: Manche Ideen akzeptieren die bisherige Form und sind der Ansicht, dass ja schon so viel graue Energie in den Bau gesteckt wurde. Es könnte aber auch ein anderes Bild der Ruine entstehen – der [2][Begriff der Ruine] könnte neu definiert werden und einen positiven Ausdruck erhalten.
Warum ausgerechnet eine Nutzung für die Kulturlandschaft?
Halbach: Das Clubsterben ist ja ein anderes, viel diskutiertes Thema in der Stadt. Da lag es nahe, diese beiden Themen miteinander zu verbinden.
Klaus-Michael Kühne könnte also auch die Oper hier unterkriegen, von der er schon länger träumt?
Halbach: Ich glaube nicht, dass die Tragwerksstruktur mit den vielen Stützen eine Oper hergibt. Und was uns wichtig war: Der Elbtower soll ein öffentliches Gebäude werden, für Kunst, für Clubs, für Bildung, als Quartierszentrum für den benachbarten Stadtteil Rothenburgsort.
Ebel: Es hat sich ziemlich schnell abgezeichnet, dass sich im Elbtower eine Mischnutzung anbietet. Die bereits gebaute Fläche ist enorm. Sie allein mit der reinen Kulturlandschaft zu füllen, wird schwierig. Also haben die Studierenden zusätzliche Nutzungen integriert.
Und zwar?
Ebel: Zum Beispiel Wohnungsbau. Obwohl es im Moment baurechtlich nicht möglich ist, könnten diese jedoch in der Zukunft geschaffen werden. Viele Studierende haben auch mit dem Gedanken gespielt, dass das eigentlich ein öffentlicher Ort der Stadt ist: Da ist eine brachliegende Fläche, in der Vertikalen, die sich die Stadtgesellschaft zurückholt und für die Gesellschaft nutzt.
Halbach: Und wenn die Frage nach der konkreten Nutzung kommt, dann stellte sich zum Beispiel einigen Studierenden auch die Frage: Warum muss in einem Raum immer die gleiche Nutzung sein? Das Büro ist nachts leer, warum kann es in der Zeit also nicht zur Unterkunft für Obdachlose werden? Wo morgens ein Markt ist, können abends Konzerte stattfinden. Dahinter steckt der Gedanke, dass wir weniger Fläche brauchen, wenn wir die Zeitstruktur übereinanderlegen. Schauen Sie sich Fußballstadien an: Es ist irre, wie viel Zeit die leer stehen.
Aber weil es Visionen sind, sind sie nicht realistisch?
Halbach: Baubar ist das alles. Eine Vision ist es höchstens, weil wir [3][frei von Interessen der Immobilienwirtschaft] diskutieren.
Ist das nicht extrem aufwendig, ein überwiegend für Büroflächen geschaffenes Gebäude umzuwandeln?
Ebel: Wir haben da ein Büroraster, aber darin lassen sich auch problemlos Wohnungen, Hotels, Kulturstätten und selbst eine Shopping Mall realisieren. Die Studierenden haben schnell gemerkt: Es geht total viel.
Hielt denn niemand der Studierenden an der ursprünglichen Idee fest, dass der Elbtower ein nahezu reines Bürogebäude werden sollte?
Halbach: Nein, denn ein riesiger Büroturm mit einer Monofunktion ist ja auch ein total veraltetes Konzept. Eine hybride Gebäudestruktur, die unterschiedliche Nutzungen an einem Ort vereint, sollte State of the Art sein. Dabei ist dieser Gedanke der durchmischten Stadt ja gar keine keine neue Idee. Das hat sich nur in den 1950er- und 1960er-Jahren mit dem Bau von reinen Bürostädten eine Zeit lang auseinanderdividiert, wie Hamburg sie etwa mit der City Nord hat.
19 Jul 2024
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