taz.de -- Diversität im Deutschrap: Unterstützt queere Artists
Die Deutschrap-Community hat ein Problem mit Männlichkeit. Fans und Künstler*innen müssen gemeinsam Veränderungen anstoßen.
Deutschrap ist feministischer, weiblicher und diverser als früher. Immer mehr Künstlerinnen brechen mit männlichen Klischees, sind offen queer und rappen über gleichgeschlechtlichen Sex. Als ich vor zwei Jahren selbst mit Rap angefangen habe, dachte ich daher: Dass ich queer bin, wird doch niemanden ernsthaft interessieren.
Ich wollte Musik machen, auf die ich Lust hatte, in meinen Songtexten [1][geht es auch um Sexualität und queere Identität], weil das Themen sind, die zu mir gehören. All das schien mir nicht besonders revolutionär, und die Idee, dass es tatsächlich Hass auf sich ziehen würde, kam mir nicht. Wie falsch ich lag!
Denn bei genauerem Hinschauen ist deutscher Mainstream-Rap immer noch sehr eintönig. Durchsucht gern mal die Playlists der Streamingplattformen – ich finde dort aus den letzten fünf Jahren keinen berühmten deutschen Künstler, der männlich gelesen wird und offen homo- oder bisexuell ist. So eine Tristesse findet sich in keinem anderem Genre, und dabei fehlt es der Musikindustrie sicher nicht an Sexismus, Misogynie und toxischen männlichen Rollenbildern.
Dazu kommen Kommentare unter meinen Musikvideos und Videos, in denen Leute aus der Rap-Community auf meine Musik reagieren. Da gibt es welche, die mir unterstellen, allein durch meine Existenz den „Safe Space Deutschrap für Männlichkeit“ zu zerstören. Solche Art von Kritik ist zwar Unsinn, aber zeigt, für was die Rap-Community aus dem Internet steht: Hass auf Frauen und Queers.
Die leisen Fans müssen lauter werden
Das ist schade und verzerrt die Realität. Denn die Mehrheit der Hörer:innen schreibt keine sexistischen Kommentare unter Videos von mir oder bekannten Künstlerinnen, wie Badmozjay, Katja Krasavice [2][und Shirin David]. Doch wirken negative Bemerkungen in den Kommentarspalten sozialer Medien lauter, wenn die positiven fehlen.
Ich werde weiter Musik machen, wünsche mir aber auch eine lautere, unterstützende Hörer*innenschaft. Wir brauchen keine Rap-Community, die sich an Männlichkeitsbilder aus Kollegah-Songs festhält. Wir brauchen eine Rap-Community, die einen sichtbaren und sicheren Platz für FLINTA*-Artists schafft – und ihn verteidigt!
Wie präsent Communitys rund um Musik sein können und welche positiven Einfluss das haben kann, [3][zeigt K-Pop]. Dort organisieren sich die Fans immer wieder rund um politische Themen, halten zusammen und [4][sammelten 2020 rund eine Million Dollar für die Black-Lives-Matter-Bewegung].
Zudem gilt die Community als ein Safe Space für queere Menschen – nicht nur, weil viele Musiker*innen sie dazu erklären, sondern auch, weil die Hörer*innenschaft das selbst vorantreibt. Denn die Fans entscheiden mit, was aus der Musik wird und welchen gesellschaftlichen Einfluss das Genre hat.
Und beim Deutschrap? Ein erster Schritt wäre es, an den Ort zu gehen, den die Community nach außen so abstoßend macht: YouTube und Social Media. Es braucht weibliche und queere Content Creator*innen innerhalb der Subkultur Rap, die Videos über und mit der Musik machen, und Hörer*innen, die diesen Content kommentieren.
Dadurch gewinnen auch die Künstler*innen: Mehr Menschen gehen auf Rapkonzerte und die Fanbase wächst und engagiert sich. Mir geht es nicht darum, Deutschrap politischer zu machen. Es ist viel existenzieller: Wir müssen Deutschrap retten. Sonst wird es einfach sehr öde.
2 Dec 2023
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