taz.de -- Die Wahrheit: Galgen- und andere Vögel
Neues aus Neuseeland: Das flatterviechbesessene Aotearoa hat nicht nur eine neue Regierung mit alten Knackern, sondern bald eine tierische Wahl.
Vorigen Monat haben wir gewählt, und deshalb ist jetzt eine neue Regierung am Start – mit lauter alten Knackern. Königsmacher für die Konservativen wurde Winston Peters, 78 Jahre alter Kopf der patriotischen Mini-Partei NZ First. Der trinkfeste Haudegen ist ein Populist schlimmster Sorte, aber mit unbegrenzter Haltbarkeitsdauer. Der zweifache stellvertretende Premier hat auch zwei unspektakuläre Runden als Außenminister hinter sich. Und jetzt, so raunt man in Wellington, droht uns eine dritte.
„Warum die Welt nicht Außenminister Winston Peters braucht“, lautete die Überschrift einer flehenden Kolumne auf Stuff, dem größtem Nachrichtenportal des Landes. Die Antwort aufs „Warum“: Weil wir Kiwis ihn zu gut kennen.
Als Antiglobalist hat er über die Jahrzehnte nicht nur verschwörerischen Kokolores über internationale Institutionen verbreitet, sondern auch mit ausländerfeindlichen Sprüchen um sich geworfen. Vor der jetzigen Wahl hat er sich den nach rechts abgeglittenen Querdenkern und Coronademonstranten angebiedert, wo man gern Putin und Trump unterstützt.
Muslime waren Peters’ liebste Zielscheibe. Eingewanderte Chinesen, Koreaner und Vietnamesen auch – die bezeichnete er als „Asian Invasion“, und deren Immigrationsversuche oder hiesigen Berufe, zum Beispiel Hundezüchter, als „kriminelle Aktivität“. Unvergessen ist sein Kalauer „Two Wongs don’t make a right“. Das ist auch als englisches Wortspiel nicht lustig, da „Wong“ ein rassistischer Begriff à la „Schlitzauge“ ist. Und dieser Maulheld soll – mal ganz abgesehen von der brisanten Weltlage momentan – als unser Spitzendiplomat auf internationalem Parkett auftreten? No thanks.
Da macht eine andere Abstimmung großen Ausmaßes, die diese Woche ansteht, doch viel mehr Freude. Alle Jahre wieder wird im flatterviechbesessenen Aotearoa der „Vogel des Jahres“ gewählt – dieses Mal gar der „Vogel des Jahrhunderts“. Ganze 75 stehen zur Auswahl, fünf davon sind vom Aussterben bedroht. Und wer zieht da als Lobbyist im Hintergrund die Strippen? Niemand Geringerer als US-Fernsehkomiker John Oliver. Der Host der Show „Last Week Tonight“ ist unsterblicher Fan von Jacinda Ardern und arbeitet sich gern liebevoll an ihrer Heimat ab, die sie nun leider nicht mehr regiert.
Oliver hat eine weltweite PR-Kampagne gestartet, um seinen gefiederten Favoriten down under durch die Wahl zu boxen: Puteketeke, der australische Haubentaucher. Von dem gibt es nur noch ganze tausend Exemplare im Land, aber dafür ziert der Underdog beziehungsweise Underbird jetzt Plakatwände von Mumbai bis London und Rio, von Oliver finanziert. Der Entertainer hat sogar ein Riesenmodell des Puteketeke gebaut, um für ihn zu werben – „ein seltsam kotzender Vogel mit einem bunten Vokuhila“, schwärmt er.
Von diesem Einsatz für exotische Minderheiten kann sich unser zukünftiger Außenminister eine Scheibe abschneiden.
9 Nov 2023
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