taz.de -- Die Wahrheit: Die Söhne des Slavo

Der Konflikt zwischen Slowenen und Slowaken hat seinen Ursprung beim Gründervater beider rivalisierenden Staaten, einem legendären Bergbauern.
Bild: Bartaffendame Ruma sitzt auf einem Leipziger Baum

Slowenien, die sympathische Zwergrepublik zwischen Alpen und Adria, ist ein Ort des ungetrübten Friedens. Wenige Menschen wissen, dass dies keineswegs immer so war. Kaum mag man es glauben, aber den heute so treuherzig wirkenden Slowenen war auch der kriegerische Geist früher nicht fremd – wenigstens wenn es gegen den jahrhundertealten Erbfeind ging: die Slowaken.

Woher der Konflikt rührt, können auch gelehrte Historiker nicht mit Sicherheit sagen. Doch er spiegelt sich schon in den ältesten Nationalmythen der beiden Völker, die einander so ähnlich und zugleich so fremd sind wie feindliche Brüder. Beide Staaten ehren als ihren Gründervater einen legendären Bergbauern namens „Slavo“ – doch hier hören die Gemeinsamkeiten auf.

Nach slowenischer Überlieferung soll Slavo mit dem Stamm einer Fichte aus den Alpen herabgestiegen sein, um aus ihm die erste Hütte von Ljubljana zu zimmern. Die Slowaken hingegen erzählen sich die Sage, Slavo sei von den Alpen aus auf einem riesigen Laib Ziegenkäse die Donau herabgeschwommen und habe mit ihm die ersten Bewohner Bratislavas angelockt.

Seit frühester Zeit ist es vor allem eines, was den Hass zwischen den beiden Ländern schürt: Beständig werden sie von Fremden miteinander verwechselt. Im 19. Jahrhundert befeuerte der keimende Nationalismus den Konflikt. Die Slowenen verlangten feierlich von der Slowakei, sich in „Land mit den zu kurz geratenen Bergen“ umzubenennen, um Missverständnisse fortan zu vermeiden. Die Slowaken sandten in ihrem Stolz jedoch nur die Botschaft zurück, besser solle sich Slowenien in „Mickriger Zipfel mit nur zwölf Metern Strand“ umtaufen. Zur offenen militärischen Auseinandersetzung kam es jedoch erst im 20. Jahrhundert in den Wirren nach dem Zerfall des Ostblocks. Der in der Weltöffentlichkeit unbekannteste Balkankrieg wurde durch die Tatsache behindert, dass Slowenien und die Slowakei keine Grenze miteinander haben. Die Bitte der beiden verfeindeten Staaten, ein Schlachtfeld zur Verfügung zu stellen, wurde von Österreich wie von Ungarn abschlägig beschieden.

Die Slowenen griffen zu einer unappetitlichen Kriegslist: Die Bürgerinnen und Bürger sandten an slowakische Adressen Hunderttausende als Geschenke getarnte Päckchen, die sie zuvor mit Fürzen gefüllt hatten. Diese Attacke mit chemischer Waffe reizte aber nur die Slowaken zur Eskalation. Sie antworteten mit mehr als Fürzen.

In Slowenien wurde in der Öffentlichkeit der äußerste Schritt diskutiert: den Philosophen Slavoj Žižek mit einem Katapult auf Bratislava zu schießen. Doch glücklicherweise kehrte im letzten Moment Vernunft ein. Einer Delegation von Vermittlern aus Slawonien gelang es mithilfe von sechs Flaschen Pflaumenbrand, die Präsidenten der Slowenen und Slowaken an einen Tisch zu bringen und jenen Frieden zu stiften, der bis heute hält. Mögen sich Kriegslüsterne andernorts daran ein Beispiel nehmen!

18 Oct 2023

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Michael Bittner

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