taz.de -- Podcaster über G20-Gipfel in Hamburg: „Debatte noch nicht abgeschlossen“
Studierende der Universität Hamburg haben den Podcast „Inside G20“ produziert. Zum fünften Jahrestag rekapitulieren sie die Ereignisse.
taz: Herr Laux, Sie haben mit Studienkolleg:innen den Podcast „Inside G20“ produziert. War das für Sie auch eine Aufarbeitung der persönlichen Erlebnisse?
Simeon Laux: Ich, aber auch andere aus dem Team, haben den [1][G20-Gipfel] damals vor Ort miterlebt. Die Polizeipräsenz, sowohl auf der Straße als auch in der Luft, war enorm. Dementsprechend war es spannend, die eigenen Erlebnisse im Rahmen der Recherche zu reflektieren. Außerdem wusste ich von vielen Hamburger:innen, dass die Geschehnisse für sie nur unzureichend aufgearbeitet wurden. Auch deshalb war es für uns wichtig, den kompletten Ablauf des G20-Gipfels zu rekonstruieren.
Wie entstand die Idee, einen [2][Podcast über G20] zu produzieren?
Jonas Freudenhammer und Fabian Börger aus unserem Team haben G20 als Thema vorgeschlagen – weil wir als Studiengang direkt vor Ort sind und fünf Jahre später immer noch viele Fragen offen sind.
Ist der G20-Gipfel in Hamburg heute noch relevant?
Ja, auf jeden Fall. Wenn man mit Menschen ins Gespräch kommt, die das damals miterlebt haben, merkt man schnell, dass G20 noch eine Rolle spielt. Auch der Sonderausschuss der Bürgerschaft hat Fragen ungeklärt gelassen, vor allem nach politischer Verantwortlichkeit. Dass die Debatte bis heute nicht abgeschlossen ist, zeigt, wie komplex und wichtig das Thema ist.
Der Podcast versucht, die Geschehnisse aus unterschiedlichen Perspektiven zu rekonstruieren und einzuordnen. War die öffentliche Debatte bisher unvollständig?
Sie hat vor allem auf politischer Ebene stattgefunden. Es gab nur eine Sitzung des Sonderausschusses, bei der Anwohner:innen zu Wort kamen. Die Anliegen der Bevölkerung kamen in der Aufarbeitung deutlich zu kurz. Außerdem hatten viele unserer Interviewpartner:innen das Gefühl, dass medial vor allem die gewaltsamen Ausschreitungen diskutiert wurden. Dass der überwiegende Anteil der Demonstrierenden friedlich und konstruktiv protestierte, ist leider oft untergegangen.
Ist es Ihnen gelungen, alle relevanten Seiten zu Wort kommen zu lassen?
Diese Bewertung müssen die Zuhörer:innen treffen. Wir haben versucht, alle Seiten miteinzubeziehen, was aber nur bedingt geklappt hat. Sowohl die Polizei- als auch die Innenbehörde haben unsere Anfragen blockiert und lediglich auf frühere Berichterstattung oder den Sonderausschuss verwiesen. Wir konnten einen Polizisten befragen, der sehr offen geantwortet hat, hätten aber gerne mit noch mehr Personen auf polizeilicher Seite gesprochen. Darüber hinaus haben wir mit Wissenschaftler:innen, Demonstrierenden und Anwohner:innen gesprochen.
Sie haben auch mit vielen Aktivist:innen gesprochen. Wie blicken die zurück?
Das kann man nicht pauschal sagen. Viele bedauern, dass die Ausschreitungen damals so gewaltsam waren. Grundsätzlich ist es allen ein Anliegen, dass die Geschehnisse differenziert betrachtet werden. Viele sind beispielsweise enttäuscht, dass Gewalt auf polizeilicher Ebene nicht zur Anklage gebracht wurde.
Und wie blicken Politiker:innen zurück?
Das kommt darauf an, mit wem man spricht. Auch SPD und Grüne als Regierungsparteien in Hamburg bewerten das unterschiedlich. Während die SPD eine überwiegend positive Bilanz der Aufarbeitung zieht, gibt es bei den Grünen auch kritische Stimmen. Die Linke ist der Auffassung, dass bisher viel zu wenig passiert sei.
Hat Sie während der Recherche etwas überrascht?
Überrascht hat uns die juristische Aufarbeitung, die teilweise noch immer nicht abgeschlossen ist und die durchaus politisch aufgeladen war. Ebenso die unterschiedliche Auffassung der Regierungsparteien.
7 Jul 2022
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