taz.de -- Öffentlich-Rechtliche im Vergleich: Macht’s gut, Rundfunkgebühren!

Senior*innen-Freerate, geringere Gebühren, Filmförderung: Von der Rundfunk-Politik in Irland könnte man sich einiges abschauen, findet unser Autor.
Bild: Sollten ARD und ZDF für Senior*innen kostenlos werden? Oder doch besser für die junge Zielgruppe?

Das wäre doch mal was: Alle Menschen über 70 dürfen ab sofort umsonst öffentlich-rechtliche Medien nutzen. „Tschüs, Beitrag. Hallo, Senior*innen-Freerate!“ Kann die Politik sich für die berühmte zweite Phase ihrer „Auftrags- und Strukturoptimierung“ der Anstalten ja gern mal vornehmen.

In Irland ist dies schon länger machbar und hübsch umgesetzt. Aber dort dürfen Menschen ab 66 ja auch Bus und Bahn für umme nutzen. Zuständig für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Irland ist übrigens das Department of Communications, Climate Action and Environment. An dieser Stelle sei an die absurde Debatte bei uns zu Klimaschützer*innen erinnert, die der ARD vor der „Tagesschau“ das „Klima vor Acht“ schmackhaft machen wollten.

Jede Menge Programm für weniger Geld

Die Rundfunkgebühren liegen in Irland [1][bei schlanken 160 Euro], statt krummen 220,32 Euro im Jahr bei uns. Irland hat außerdem nur knapp 5 Millionen Einwohner*innen. Trotz viel weniger Geld bietet die öffentlich-rechtliche Raidió Teilifís Éireann (RTÉ) jede Menge Programm mit fünf TV-Sendern plus mehreren UKW-Radios und DAB. Dazu kommt noch das aus der Staatskasse finanzierte gälischsprachige Fernsehen TG4. Irland ist schließlich mindestens zweisprachig. Am Ring of Kerry gehört von Mai bis Oktober auch Deutsch als Hilfssprache für verwirrte Tourist*innen dazu.

[2][7 Prozent] von der Gebühr werden zusätzlich abgezwackt, um den Broadcasting Fund zu speisen. Der fördert hochwertige TV-Programme über irische Kultur und Geschichte. Etwas Ähnliches wird ja auch bei uns immer mal wieder diskutiert: einen Teil des Beitrags ohne Einfluss der Sender direkt an Produzent*innen zu vergeben. Wer was bekommt, würden unabhängige Jurys entscheiden. So etwas ist bisher aber stets an der Abscheu und Empörung von ARD und ZDF gescheitert. „Macht und Geld wollen eben gefördert werden“, meint die Mitbewohnerin.

Freerate für junge Nutzer*innen?

Auch beim Fernsehsport geht Irland andere Wege. Da stehen die [3][Nationalsportarten Peil Ghaelach], die gälische Variante von Fußball, und Hurling hoch im Kurs. Weshalb Dienstagabend im Pub in Galway auch kein Mensch beim Nations-League-Gekicke Deutschland–England hingeguckt hat. Deutsche Rentner*innen, die schon mal ausprobieren wollten, wie es sich umsonst guckt, waren keine da. Wie auch, wenn sie die Petition für die Senior*innen-Freerate beim Rundfunkbeitrag vorbereiten.

Doch so etwas macht nur in einer jungen Gesellschaft wie Irland Sinn. Weil das Hauptpublikum von ARD und ZDF ohnehin kurz vor der Pensionierung steht, sollten bei uns eher junge Menschen vom Beitrag befreit werden. Damit sie die Öffentlich-Rechtlichen kennenlernen und später gern Beitrag zahlen.

10 Jun 2022

LINKS

[1] https://www.mdr.de/medien360g/medienpolitik/oeffentlich-rechtlicher-europa-100.html
[2] https://about.rte.ie/how-rte-is-funded-2/
[3] /Blick-ueber-den-Tellerand/!5143838

AUTOREN

Steffen Grimberg

TAGS

Kolumne Flimmern und Rauschen
Irland
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk
TikTok
Schwerpunkt AfD
BBC
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk

ARTIKEL ZUM THEMA

Öffentlich-rechtliche auf Social Media: Clickbait für die Algorithmen

Wie viel Einfluss haben Klicks und Likes auf die Inhalte öffentlich-rechtlicher Medien? Der Journalist Henning Eichler hat es untersucht.

CDU Sachsen-Anhalt und „Das Erste“: Symbol ohne Substanz

CDU-Parlamentarier aus Sachsen-Anhalt fordern, dass „Das Erste“ abgeschafft wird. Bei genauerer Betrachtung bleibt von dem Vorstoß aber wenig übrig.

Zukunft der BBC: Thank you from Germany

Der britische Premier Johnson möchte die BBC gern als öffentlich-rechtliches Medium abwickeln. Den deutschen Verwandten könnte das eher nutzen.

Förderung für Dokumentarfilme: Ergänzung zum System

Filmemacher*innen beklagen im Aufruf „Docs for Democracy“ eklatante Defizite bei der Förderung. Eine Stiftung, die direkt Geld gibt, soll helfen.