taz.de -- Diskussion um RKI-Chef Wieler: Hauptsache, Verwirrung

Die FDP kritisiert den RKI-Chef für die „plötzliche“ Verkürzung des Genesenenstatus – und schmeißt sich an Impfgegner heran.
Bild: Lothar Wieler bei einer Pressekonferenz zur Coronalage

Wann immer man meint, [1][die FDP] werde sich endlich einmal ihrer Regierungsverantwortung widmen, folgt die Ernüchterung. Nachdem die Freien Demokraten erfolgreich alle Bemühungen um eine Impfpflicht untergraben haben, wird nun am Stuhl von Lothar Wieler gesägt, dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts. Anlass ist die bereits vor Wochen veranlasste Verkürzung des Genesenenstatus im Vorfeld der Omikron-Welle.

Es hat Kritik an dieser „plötzlichen“ Entscheidung gegeben, und wie üblich für die Behörde wurde sie nicht von einem informativen PR-Gewitter begleitet. Doch bei allem Mitgefühl für die zweifelnden Bürger, die sich vom RKI nun ebenso plötzlich in ihren Freiheitsrechten beraubt fühlen und zu deren Schutzengeln sich die Spitze der FDP nun aufzuspielen sucht: Man sollte kurz gucken, um wen es eigentlich geht.

Von der Verkürzung des Genesenenstatus sind [2][Ungeimpfte] betroffen, die innerhalb der vergangenen sechs Monate an Covid erkrankt sind oder nachweislich infiziert waren – und die auch nach ihrer Genesung eine dringend empfohlene Impfung abgelehnt haben. Es geht also um Leute, die glauben, dass Ungeimpfte, wenn sie das Glück haben, nicht an Covid zu sterben, nach überstandener Infektion gut vor Covid geschützt seien. Dem ist aber nicht so.

Die Immunantwort nach einer Infektion ist weniger gezielt und weniger solide als der Immunschutz nach einer vollständigen Impfung. Gerade schwach Erkrankte sind kaum gegen einen neuen Angriff des Virus gewappnet. Zumal der Schutz schnell schwindet, wie der nach der ersten Dosis Coronaimpfstoff. Einfach Geimpfte aber genießen keine Privilegien unter 2G. Ungeimpfte Genesene dagegen seit vielen Monaten.

Sachlich betrachtet kann man das RKI also beglückwünschen, diese Schieflage mit der Anpassung des Genesenenstatus etwas korrigiert zu haben – und die Ungeimpften besser zu schützen. Womöglich kommt so manche:r Genesene doch noch darauf, sich impfen zu lassen.

Politisch betrachtet, muss man die FPD für den armseligen Versuch bedauern, durch den Angriff auf Wieler abermals die Nähe der Impfgegner:innen zu suchen – und den Ländern eine Vorlage für Alleingänge zu liefern. [3][Markus Söder] hat für Bayern trotz hoher Hospitalisierungsinzidenz massive Lockerungen angekündigt und die Impfpflicht in der Pflege gekippt. Der Ministerpräsident nennt das eine „klare Linie“, der Bundesregierung wirft er dagegen eine „wirre Debattenlage“ vor. Im Kern ist es Kapitulation vor dem Virus, das weiter wütet und Leben kostet.

7 Feb 2022

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[1] /Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5832345
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AUTOREN

Kathrin Zinkant

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