taz.de -- Wirtschaftliche Lage in den USA: Vor der Zinswende

Eine Inflation von sieben Prozent und mässige Wirtschaftsdaten alarmieren die Zentralbank Fed. Bald dürfte die Ära des ultrabilligen Geldes enden.
Bild: Höchste Inflation seit 1982: Einkaufsstraße in New York

Washington/Berlin taz/rtr/dpa | Die Wirtschaft schwächelt wegen Corona, die Inflation ist so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr: Die wirtschaftliche Lage in den USA ist mäßig. Am Donnerstag sprachen sich deshalb mehrere US-Währungshüter dafür aus, [1][die Zinsen möglichst bald im laufenden Jahr zu erhöhen]. Damit steht die Ära des ultrabilligen Geldes vor dem Ende.

„Ich denke jetzt, dass wir 2022 vielleicht vier Schritte machen sollten“, sagte der Chef des Zentralbankbezirks St. Louis, James Bullard, dem Wall Street Journal. Sein Kollege Patrick Harker aus Philadelphia erklärte der Financial Times, er sei für eine Abfolge von drei Anhebungen, mit der man bereits im März beginnen könne.

Zuvor hatte die Nachricht viele ExpertInnen überrascht, dass die Inflationsrate für Waren und Dienstleistungen im Dezember 7,0 Prozent betrug. Das war der höchste Wert seit Juni 1982. Die Rate hatte bereits im November bei 6,8 Prozent gelegen.

Einige Indikatoren deuten darauf hin, dass sich die Geldentwertung fortsetzen könnte. So legten im Dezember Erzeugerpreise gegenüber dem Vorjahresmonat um 9,7 Prozent zu, wie das Arbeitsministerium am Donnerstag mitteilte. Im November hatte die Rate bei 9,8 Prozent gelegen. Dies war der stärkste Zuwachs seit Erhebungsbeginn.

Zum Teil drastische Materialknappheit

Getrieben werden die Herstellerpreise durch eine Reihe von Faktoren. Dazu zählt die zum Teil drastische Materialknappheit, die auf Lieferprobleme im weltweiten Handelsverkehr zurückgehen. Hinzu kommen stark steigende Preise für Energie, die den Produktionsprozess erschweren und verteuern.

Aktuell liegt der Leitzins in den USA zwischen 0 und 0,25 Prozent. Schon im Dezember 2008 hatte die Fed als Reaktion auf die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers in den Krisenmodus geschaltet und den Leitzins auf das [2][Rekordtief] gesenkt. Außerdem hat sie seitdem Anleihen in Höhe von Billionen US-Dollar aufgekauft.

Auch die US-Wirtschaft leidet unter der Corona-Krise: Einerseits treiben aus der Pandemie resultierende Materialengpässe, hohe Energiekosten und ein Mangel an Arbeitskräften die Preise hoch. Andererseits zeigte der am Mittwoch veröffentlichte Konjunkturbericht der Zentralbank Fed („Beige Book“), dass die Pandemie viele Unternehmen trifft: Vor allem die Reisebranche und das Hotel- und Gaststättengewerbe sind gerade stark gebeutelt.

Arbeitslosigkeit gestiegen

Das zeigte sich auch an den neuen Arbeitsmarktdaten, die am Donnerstag veröffentlicht wurden: Danach stieg die Arbeitslosigkeit in den USA ist zu Jahresbeginn überraschend. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe nahm in der vergangenen Woche um 23.000 auf 230.000 zu, wie das Arbeitsministerium mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten dagegen einen Rückgang auf 200.000 prognostiziert.

Die Notenbank wolle die Inflation wieder auf 2 Prozent drücken, betonte die designierte Fed-Vizechefin Lael Brainard in einer Rede für eine am Donnerstagnachmittag geplante Senatsanhörung. Zugleich wolle sie eine wirtschaftliche Erholung für jeden erreichen. Das sei die wichtigste Aufgabe der Fed, erklärte Brainard.

13 Jan 2022

LINKS

[1] /Fed-reagiert-auf-Inflation/!5822609
[2] /Immer-mehr-VerbraucherInnen-belastet/!5760771

AUTOREN

Kai Schöneberg

TAGS

Fed
USA
Niedrigzins
Inflation
USA
Stromkosten
USA
Inflation
Inflation
Bruttoinlandsprodukt
Fed
Fed
Fed

ARTIKEL ZUM THEMA

Galoppierende Inflation in den USA: Keine Angst mehr vor dem R-Wort

In den USA steigen die Preise noch drastischer als in der EU – die Inflationsrate erreicht den höchsten Wert seit 1981. Wie soll es weitergehen?

Steigende Energiekosten: Her mit der Klimaprämie

Die Kosten für fossile Energien steigen. Doch im Zuge der CO2-Bepreisung könnten Haushalte mit wenig Einkommen von der Klimapolitik profitieren.

Auswirkungen der US-Geldpolitik: Welche Folgen die Zinswende hat

Die Fed hat die Zinswende eingeleitet und will so eine hohe Inflation bekämpfen. Das wird weltweite Folgen mit sich tragen. Fragen und Antworten.

Globale Inflation: Die Preistreiber lauern überall

Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern setzt der Teufelskreis aus Inflation und Abwertung besonders zu.

Inflation in Japan: Trauma der „Preiszerstörung“

Nach über zwei Jahrzehnten kehrt die Inflation nach Japan zurück und verschreckt alle: Konsumenten, Regierung, Notenbank und Unternehmen.

Deutsches Bruttoinlandsprodukt gestiegen: Gebremstes Wachstum

Die deutsche Wirtschaft hat 2021 zwar zugelegt. Aber das war nicht genug, um den Einbruch aus dem Coronajahr 2020 aufzuholen.

Keine Zinserhöhung der EZB: Bittere Erkenntnis

Obwohl die US-Notenbank Fed die Zinsen erhöhen will, bleibt die EZB bei ihrer Nullzinspolitik. Das ist plausibel, aber kein Trost für Sparer:innen.

Steigende Inflation: EZB und Fed treten auf die Bremse

Inflation, und was jetzt? Die US-Notenbank will ihre Anleihekäufe beenden und wohl die Zinsen anheben. Die EZB agiert langsamer.

Fed reagiert auf Inflation: US-Zentralbank drängt EZB

Die US-Zentralbank Fed signalisiert für 2022 mehrere Zinserhöhungen. Das hat über kurz oder lang auch Auswirkungen auf Europa und die EZB.