taz.de -- Parlamentswahlen in Russland: Gehorsam und Gleichgültigkeit

Klar hat der Kreml bei der Wahl nachgeholfen. Doch wäre das Ergebnis grundsätzlich anders ausgefallen, wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre?
Bild: Stimmauszählung im Wahllokal Nr. 314 in Yuzhno-Sakahalinsk, Russland

[1][Die Dumawahlen sind gelaufen]. Ohne größere Erschütterungen. Wladimir Putin und seine Mannschaft hatten alles vorab im Griff und garantieren, dass es weitergeht wie bisher. Präsident Putin thront im Mittelpunkt und lässt keine Abweichungen zu. Russland ist wieder ein autoritärer Staat an der Schwelle zur Diktatur. Volk und Wahlvolk lassen das aber auch mit sich machen.

Zugegeben, Anfang des Jahres gab es eine Menge Protest. Der Kreml konnte damit nicht umgehen und sorgte für Tabula rasa – mit Brutalität und hemmungslosen Sicherheitskräften. Die Zufriedenheit im Land ist dadurch nicht gewachsen, die Bereitschaft, sich offen gegen die führende Elite zu stellen, ist jedoch erneut geschwunden. Mit Demonstrationen wie nach den manipulierten Wahlen 2011 ist zurzeit nicht zu rechnen.

Russland ringt immer noch mit den Folgen der totalitären Herrschaft, und auch die nachwachsende Generation ist noch nicht frei davon. Wieder tendiert das Land dazu, Menschen zu vertreiben, die gesellschaftliche Selbstdiagnose verlangen. Stattdessen verspricht der Kreml bescheidene finanzielle Wohltaten und fordert die Empfänger auf, sich aus allem herauszuhalten. Ihnen erscheint es sinnvoll, für Leute mit Geld und Ressourcen zu stimmen.

Russlands ärmere Schichten halten sich noch immer an den Staat und wählen das System. Der Staat ist Arbeitgeber und Quelle kleinerer Zuwendungen. Überdies spielt er in der russischen Wirtschaft eine wachsende Rolle. Dies scheint vom Kreml auch gewollt zu sein. Wer abhängig ist, wird sich nicht gegen den Arbeitgeber wenden. Russlands autoritäres System ist vom Staat abhängig. Er prägt Gehorsam und nicht zuletzt auch Gleichgültigkeit.

Natürlich ergriff der Kreml [2][alle Maßnahmen, um ein positives Wahlergebnis zu erreichen]. Alte und neue Tricks wurden angewandt, die „administrative“ Kraft staatlicher Arbeitgeber erinnerte Staatsbedienstete an das gewünschte Wohlverhalten. Offen bleibt unterdessen: Wäre alles mit rechten Dingen zugegangen, wäre das Ergebnis grundsätzlich dann anders ausgefallen.

20 Sep 2021

LINKS

[1] /Duma-Wahlen-in-Russland/!5802415
[2] /Parlamentswahlen-in-Russland/!5802165

AUTOREN

Klaus-Helge Donath

TAGS

Russland
Duma
Einiges Russland
Duma
Russland
Einiges Russland

ARTIKEL ZUM THEMA

Russland nach der Duma-Wahl: Kritische Stimme im System Putin

Die Partei „Neue Leute“ schafft den Sprung in die Duma. Dort will sie Politik für die Regionen machen. Als Gegnerin des Kreml sieht sie sich nicht.

Direktmandat bei Wahlen in Russland: Knapp vorbei

Die Juristin Anastasia Udalzowa war bei den Dumawahlen schon als Siegerin ausgerufen worden. Doch plötzlich lag der Kandidat der Kremlpartei vorne.

Duma-Wahlen in Russland: Im Betrug geeintes Russland

Nach ersten Ergebnissen gewinnt Russlands Regierungspartei die Duma-Wahlen. Sie sind überschattet von massiven Vorwürfen von Wahlbetrug,

Parlamentswahlen in Russland: Keine Alternativen für die Duma

In Russland öffnen die Wahllokale, während Google und Apple die App des Nawalny-Teams löschen. Viele wollen ohnehin nicht abstimmen.