taz.de -- Repression gegen Medien in Belarus: Journalist hinter Gittern

Der belarussische Chefredakteur Egor Martinowitsch wurde von der Polizei brutal festgenommen. Nun sitzt er in einem für Folter berüchtigten Gefängnis.
Bild: Berichtete über Festnahmen und sitzt nun selbst im Gefängnis: Egor Martinowitsch

Egor Martinowitsch war Konflikten mit den staatlichen Behörden von Belarus nie aus dem Weg gegangen. Immer wieder erlebte der 33-Jährige, seit 2009 Redakteur der belarussischen Zeitung Nascha Niwa und seit 2017 deren Chefredakteur, Hausdurchsuchungen oder musste in Arrest.

Doch am 8. Juli wurde er bei einer Hausdurchsuchung so schwer von Polizisten geschlagen, dass er wegen einer Gehirnerschütterung ärztlich behandelt werden musste. Dennoch verbrachte er die nächsten Nächte im Gefängnis Okrestina, das für die Folter von Demonstranten berühmt-berüchtigt ist. Nun droht ihm eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Er soll zu Massenunruhen angestachelt und die öffentliche Ordnung grob gestört haben.

Wer Martinowitschs Familiengeschichte kennt, wundert sich nicht, dass er Journalist einer traditionsreichen belarussischen Zeitung geworden ist. Sein Vater Alexander Martinowitsch ist ein bekannter belarussischer Literaturkritiker und Schriftsteller, Autor von über 30 Büchern. Er war 2018 von Alexander Lukaschenko als „Kulturschaffender der Republik Belarus“ ausgezeichnet worden. Sein bekanntestes Werk war eine mehrbändige Ausgabe der belarussischen Literaturgeschichte mit 300 Porträts.

Martinowitschs Großvater, Michail Muschinskij, hat zur belarussischen Literatur geforscht, an Werken zur Geschichte der belarussischen Literatur vor und nach der Oktoberrevolution mitgewirkt.

Neue Agressionsbereitschaft

Am Abend des 10. August 2020 jedoch passierte etwas, das alles änderte. Martinowitsch war in seinem Auto in Minsk unterwegs, ihm fielen die vielen Checkpoints der Polizei auf, die wie Pilze aus dem Boden geschossen zu sein schienen. Und vielerorts sah er verletzte Demonstranten auf dem Boden. Trotzdem hatte er zu diesem Zeitpunkt noch geglaubt, dass ihn ein Journalistenausweis schützen könne.

Doch dann wurde ihm mit einem Schlag die neue hohe Aggressionsbereitschaft der Polizisten bewusst. Er hatte an einem Checkpoint nur auf Belarussisch geantwortet, als er sofort von aggressiven Polizisten drangsaliert wurde. Wie im Krieg unter lauter Besatzungssoldaten habe er sich gefühlt, als er dann am Boden gelegen habe, berichtet er in einem Podcast.

Gegründet im Mai 1991, verstand sich Nascha Niwa immer als Sprachrohr derer, die ein unabhängiges Belarus wollten. Nachdem Nascha Niwa im August 2020 nach den Präsidentschaftswahlen rege über die Proteste gegen die Wahlfälschungen berichtet hatte, stoppten die Behörden den Zugang zum Portal für Nutzer aus dem Land. Seit dem 8. Juli ist auch das Internetportal vollständig offline. Am 13. Juli löste sich die Redaktion offiziell auf.

Sehr oft habe sie mit ihrem Mann das Gefängnis in der Wolodark-Straße in Minsk besucht, berichtet Adaria Gushtyn, Martinowitschs Ehefrau, auf ihrer Facebookseite. Nun hoffe sie, dass auch andere an ihren Mann im Wolodark-Gefängnis denken und ihm schreiben. Am besten zu seinem Lieblingsthema, Fußball. Die Adresse ist: 220030, Minsk, vul. Valadarskaga 2, SIZA-1.

22 Jul 2021

AUTOREN

Bernhard Clasen

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