taz.de -- Corona-Impfungen in Südafrika: Impfen vor dem „großen Knall“

Nach etlichen Problemen nimmt Südafrikas Impfprogramm an Fahrt auf. Gerade noch rechtzeitig vor einem erneuten Anstieg der Infektionen?
Bild: Impfen im Akkord in Johannesburg, Südafrika

Amsterdam taz | In Südafrika beginnt ab Montag endlich die zweite Phase der Impfkampagne gegen das Coronavirus. Über 60-Jährige und damit 5,5 Millionen Menschen sind dann impfberechtigt.

Doch bislang wurde viel Zeit verloren, sagt eine Ärztin aus dem größten [1][Township bei Kapstadt] mit mehr als einer Million Menschen: „Viele Menschen tun so, als hätten wir Corona im Griff. Genau wie in Indien vor dem großen Knall.“ Professor Francois Venter von der Witwatersrand-Universität bei Johannesburg ergänzt: „Wir könnten mehr als 500.000 Menschen mit hohem Risiko längst geschützt haben, wenn es nicht so viele Verzögerungen bei der Bestellung der Impfstoffe gegeben hätte.“

Die am 17. Februar begonnene Impfkampagne hat nach drei Monaten bislang nur ca. 440.000 Ärzt*innen und Pflegekräfte erreicht. [2][Dieser schwache Start] hat auch damit zu tun, dass die Kampagne im April für mehr als zwei Wochen unterbrochen wurde, da es Sorgen um mögliche Nebenwirkungen des bisher einzigen genutzten Impfstoffes von Johnson & Johnson gegeben hatte.

Andere [3][Länder Afrikas], allen voran Marokko, haben bereits viel mehr geimpft. Südafrika ist derzeit auf Platz 17 von 55 Staaten auf dem Kontinent. Gleichwohl stellen die bisher ca. 55.000 an Covid-19 Verstorbenen Südafrikas fast die Hälfte aller offiziell dokumentierten Coronatoten Afrikas dar. Die Dunkelziffer dürfte mehr als doppelt so hoch sein – der Medizinische Forschungsrat Südafrikas (SAMRC) schätzt sie auf 113.000 Tote.

Infektionen steigen im Winter

In Südafrika beginnt gerade der Winter. Letzte Woche warnte Südafrikas Gesundheitsminister Zweli Mkhize zum ersten Mal seit drei Monaten vor steigenden Infektionszahlen, die mit derzeit 3.000 Neuinfektionen pro Tag wieder deutlich steigen. Anfang Januar lagen sie während der zweiten Welle bei über 21.000. Südafrika hatte lange einen [4][besonders strengen Lockdown]: Strände waren geschlossen, Ausgangsbeschränkungen galten schon ab dem frühen Abend und Alkohol dufte nicht verkauft werden.

Doch die Impfkampagne soll an Fahrt aufnehmen. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa erklärte, dass die Regierung nicht nur ausreichend Impfstoff gesichert hätte – 31 Millionen [5][Dosen von Johnson & Johnson] und 20 Millionen von Pfizer – es gäbe ab Montag auch 3.357 anerkannte Impfzentren im Land, die die tägliche Impfkapazität von bisher 12.000 auf 80.000 Dosen erhöhen.

Ärzt*innen und Aktivist*innen fordern mehr. Mark Heywood, bekannt wegen seines jahrelangen Engagements für freien Zugang zu Anti-Aids-Medikamenten, erklärt: „Die Impfstoffe müssen jetzt sofort an alle Menschen gehen, die bereit sind. (…) Jede prinzipielle Priorisierung bedeutet nur weitere lebensgefährliche Verzögerungen.“

16 May 2021

LINKS

[1] /Not-in-Suedafrika/!5735086
[2] /Probleme-mit-den-Impfstoffen/!5746597
[3] /Coronabekaempfung-in-Suedafrika/!5742214
[4] /Suedafrika-und-Corona/!5700780
[5] /Impfstoff-von-Johnson--Johnson/!5770836

AUTOREN

Lutz van Dijk

TAGS

Schwerpunkt Coronavirus
Südafrika
Impfstoff
Schwerpunkt Coronavirus
Südafrika
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Südafrika
Schwerpunkt Coronavirus
taz-Serie Corona glokal

ARTIKEL ZUM THEMA

Delta-Variante in Südafrika: Und wieder Lockdown Level 4

Ausgangssperre, Versammlungsverbot, Schulschließungen: Die Delta-Variante bringt Südafrikas dritte Coronawelle. Der Präsident verkündet den Lockdown.

Südafrika in der Krise: Feiertag ohne Feierlaune

Nach über einem Jahr Coronakrise hat in Südafrika die Arbeitslosigkeit ein Rekordniveau erreicht. Die Hoffnung in die Zukunft ist geschwunden.

Aktuelle Nachrichten in der Coronakrise: Ende der Priorisierung ab 7. Juni

Bund und Länder haben beschlossen, die Impfreihenfolge bald aufzuheben. Die Bundesregierung warnt, trotz sinkender Coronazahlen vorsichtig zu bleiben.

Coronabekämpfung in Südafrika: Zu wenig Impfstoff, zu wenig Geld

Die Armen müssen warten, bis die Reichen versorgt sind: Das Beispiel Südafrika zeigt die globale Impf-Ungerechtigkeit.

Deutsche in Großbritannien und Südafrika: „Am Telefon kommen wir nicht durch“

Wegen der neuen Coronamutation sind Reiseverbindungen bis Neujahr verboten. Eine Rückholaktion ist nicht geplant, Betroffene sind frustriert.

Not in Südafrika: Erst das Virus, dann das Feuer

Im Township Masiphumelele bei Kapstadt macht ein Großbrand Tausende obdachlos. Wer schützt sie jetzt vor der Coronapandemie?