taz.de -- Impftermine von der Kita: Kluge Aktion mit Risiko
In Bremen verteilen Kindertagesstätten in ärmeren Stadtteilen Termine für Impfungen. So sollen dort Menschen erreicht werden, die skeptisch sind.
Mobile Impfzentren rücken aus, [1][um die Seuchengefahr in den Armenvierteln zu bannen.] Diesen Eindruck vermitteln viele Medienberichte im Nachklang der Aufregung um die hohen Infektionsraten im Kölner Stadtteil Chorweiler. Das hat einen üblen ordnungspolitischen Beigeschmack. Als ginge es weniger um Hilfe für diejenigen, die aufgrund von Armut mit einem hohen Infektionsrisiko leben müssen, sondern darum, diejenigen, die in den „besseren“ Gegenden leben, vor dem infektiösen Pöbel zu schützen.
Es zahlt sich jetzt aus, dass Bremen eine linke Gesundheitssenatorin hat. Denn die betrachtet das Thema tatsächlich aus Sicht der Betroffenen. Anstatt nur die Leute in den weißen oder roten Anzügen loszuschicken, entwickelt sie Strategien, wie die Hemmschwelle, an einer Impfung teilzunehmen, so gesenkt werden kann, [2][dass auch diejenigen erreicht werden], die sich nicht von selbst in die Schlange vor den Impfbus stellen.
Dabei die Kitas anzusprechen, ist eine kluge Idee, weil Erzieher*innen nicht als verlängerter Arm des Staates wahrgenommen werden, sondern häufig als Vertrauenspersonen, die das für viele Menschen Wertvollste hüten, was sie haben: die eigenen Kinder. Dass die Kita-Leiter*innen sofort zugesagt haben – noch vor ihren Vorgesetzten – verdient Hochachtung. Sie sind bereits jetzt mehr als ausgelastet [3][mit der Umsetzung immer neuer Regeln] und seit Kurzem der Ausgabe von Schnelltests.
Allerdings birgt die Aktion das Risiko, dass der Unterschied zwischen Kindertagesbetreuung und Staatsmacht verwischt wird. Sie sollte daher eine Ausnahme bleiben.
7 May 2021
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