taz.de -- Räumung von Obdachlosen in Berlin: Ort für einen „Safe Place“

Die Deutsche Bahn will das Obdachlosencamp am Containerbahnhof räumen. Nach Verhandlungen mit Karuna konnte das vorerst verhindert werden.
Bild: Gemeinsam mit der Notübernachtung könnte ein „Safe Place“ für Obdachlose entstehen

Berlin taz | Verhandeln bringt etwas. Das Obdachlosencamp am Containerbahnhof an der Frankfurter Allee wird nun frühestens am 14. Juni geräumt. Das handelte Karuna mit der Deutschen Bahn aus, der das Gelände gehört. Eigentlich sollten von dort schon am Montagmorgen „diverse Materialien und illegaler Müll“ geräumt werden, wie in einem Schreiben an „Nutzer der Flächen DB Netz AG“ steht, das der taz vorliegt.

Was nicht darin steht: dass auf dem Gelände etwa 15 obdachlose Menschen leben. Initiativen wie die Berliner Obdachlosenhilfe befürchteten, dass diese auch geräumt würden. Deshalb riefen sie vorab zur Kundgebung auf.

Nun also [1][das Aussetzen der Räumung]. Am Montagmorgen betraten nur zwei Sozialarbeiter:innen von Karuna und die Deutsche Bahn das Gelände. „Die Verhandlung mit der Bahn ist ganz friedlich gelaufen“, sagt Lutz Müller-Bohlen von [2][Karuna] der taz. Es sei schnell zu einer Einigung gekommen.

Was ihn ärgere, sei, dass nicht mit den obdachlosen Menschen gesprochen werde, sondern über sie. Nicht jede Maßnahme passe zu allen Menschen, viele der Bewohner:innen hätten psychische Erkrankungen, da müsse mit Fingerspitzengefühl vorgegangen werden: „Ich habe mit den Menschen auf der Fläche besprochen, dass wir für alle weiteren Gespräche einbezogen werden, so weit ich das beeinflussen kann.“ Laut Müller-Bohlen leben viele seit über drei Jahren auf dem Gelände.

Die Bahn lässt nach einem Rundgang eines Tagesspiegel-Redakteurs niemanden mehr auf das Gelände, um sich einen Eindruck vor Ort zu machen. Auch die taz nicht.

Um kurz vor elf beginnt dann die Kundgebung, die sich gegen die Räumung positioniert. Etwa 50 Menschen haben sich versammelt, trinken Kaffee, den die Berliner Obdachlosenhilfe verteilt, und halten Schilder hoch: „Mietenstopp jetzt“ und „Kostenfreier Wohnraum für alle“ fordern sie. Die Polizei sperrt dafür einen Teil der Möllendorffstraße.

Neben Thorsten Buhl, Bezirksverordneter von der Offenen Liste Friedrichshain, halten auch die Schlafplatzorga und die Berliner Obdachlosenhilfe (BOH) Reden. Die Rednerin der BOH fordert dazu auf, den Leerstand in Berlin zu enteignen: „In Berlin stehen mehr Wohnungen leer, als es obdachlose Menschen gibt. Eine Wohnung leerstehen lassen ist illegal“, sagt sie. Die circa 50 Menschen jubeln und klatschen.

Buhl erklärt den Teilnehmenden, dass es einen Wasseranschluss auf dem Gelände gibt. Es wäre damit möglich, aus einem Teil des Geländes einen „Safe Place“ zu machen, also einen Ort, den [3][obdachlose Menschen] selbst verwalten. Darum soll es nun auch in den Verhandlungen mit der DB bis zum 14. Juni gehen.

19 Apr 2021

LINKS

[1] https://www.tagesspiegel.de/berlin/deutsche-bahn-kuendigt-aufraeumaktion-an-camp-raeumung-hinter-dem-berliner-ring-center-verschoben/27103992.html
[2] /Kaeltehilfe-fuer-Obdachlose-in-Berlin/!5752052
[3] /Aktion-fuer-Obdachlose-in-Berlin/!5735190

AUTOREN

Nicole Opitz

TAGS

Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Deutsche Bahn
Räumung
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin

ARTIKEL ZUM THEMA

Obdachlosigkeit in Berlin: Aus dem Hostel auf die Straße

Am Donnerstag endete die 24-7 Notunterbringung von Obdachlosen. Nun müssen die meisten wieder auf die Straße.

Kalte Räumung an der Frankfurter Allee: Missinformation mit System

Das Camp am Containerbahnhof wurde nicht offiziell geräumt. Viele Bewohner:innen haben das Camp dennoch verunsichert verlassen.

Obdachlosencamp an der Frankfurter Allee: Der Umzug ist nicht sicher

Das Obdachlosencamp auf dem Containerbahnhof soll laut Bahn „ab Montag“ geräumt werden. Der Bezirk spricht lieber von einem „baldigen Umzug“.

Wohnungslosigkeit in Berlin: Kampf den Hütten

Vor der 5. Strategiekonferenz gegen Wohnungslosigkeit fordern Teilnehmende mehr Bau günstiger Wohnungen. Nur das helfe effektiv.