taz.de -- Maßnahmen gegen Corona: Kluger Mix statt harter Lockdown

Es ist Zeit, dass die Länder eigene Wege gehen, um mit der Pandemie umzugehen. Das entspricht dem föderalen Prinzip und setzt auf Subsidiarität.
Bild: Voraussetzung für Alternativen zum Lockdown: Umfangreiche Corona-Schnelltests

Irgendwann in den nächsten Tagen werden die Ministerpräsident:innen der Länder wieder mit Angela Merkel beraten, was gegen [1][die steigenden Infektionszahlen] getan werden muss. Solche kurzfristig anberaumten Treffen sind in erster Linie Symbolpolitik. Glaubt wirklich jemand, dass sie sich [2][nach dem Chaos der vergangenen Woche] nun auf eine einstimmige und breit akzeptierte Strategie einigen? Das nimmt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach an und fordert auch, was die Runde beschließen soll: einen harten Shutdown. Das ist nicht nur demokratisch fragwürdig, sondern auch zu eng gedacht.

Ein harter Lockdown wirkt dabei ähnlich wie eine Chemotherapie. Der ganze Organismus wird vergiftet, aber es hilft. Die Nebenwirkungen sind jedoch beträchtlich – Selbstständige in Existenznöten, [3][Schüler:innen, die den Anschluss verlieren], Kinder, die vereinsamen.

Zudem geraten die Befürworter:innen in eine kommunikative Sackgasse. Der Ansporn „Wenn wir jetzt alle durchhalten, dann haben wir es in zwei Monaten, bis zum Sommer, bis Weihnachten geschafft“, klingt allmählich hohl. Ein harter Lockdown wirkt nur, wenn sich alle an die Regeln halten. Das könnte aber gerade im privaten Bereich nur ein durchorganisierter Überwachungsstaat garantieren.

Die Alternative zum Lockdown für alle sind zielgerichtete Therapien, die in einem Jahr Pandemie ja ebenfalls entwickelt wurden. In Spanien gab es vor einem Jahr einen zentral verordneten knallharten Komplett-Lockdown. Nun setzt man dort auf Lockerungen, gepaart mit harten Regeln. Maskenpflicht im Freien, abendliche Ausgangssperren, Reisebeschränkungen, aber auch geöffnete Schulen, Theater und Restaurants. Spaniens Regierungsberater Fernando Simón sagt, es gehe um chirurgische Eingriffe und eine reduzierte Anzahl von Maßnahmen. Das Konzept scheint bislang aufzugehen: Die landesweite Inzidenz liegt bei knapp über 90, in Deutschland bei 130.

Berlin will dieses minimalinvasive Prinzip ebenfalls anwenden: Der rot-rot-grüne Senat mixt bestehende Lockerungen mit einigen Regelverschärfungen. Arbeigeber:innen müssen mindestens die Hälfte der Belegschaft ins Homeoffice schicken und zweimal pro Woche Schnelltests anbieten. Wer ins Museum will, braucht einen negativen Schnelltest. Kitas erhalten eine halbe Million Schnelltests.

Es ist Zeit, dass die Länder eigene Wege gehen dürfen, um mit der Pandemie umzugehen. Mit „Jugend forscht“, wie es Lauterbach nennt, hat das nichts zu tun. Es entspricht dem föderalen Prinzip und setzt auf Subsidiarität statt auf Basta-Politik. Im Idealfall setzt sich die beste Therapie durch.

28 Mar 2021

LINKS

[1] /Aktuelle-Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5761681
[2] /Corona-Beschluesse-fuer-die-Ostertage/!5760111
[3] /Schuloeffnungen-und-Lockdown/!5754768

AUTOREN

Anna Lehmann

TAGS

Schwerpunkt Coronavirus
Bundesländer
Bundeskanzleramt
Lockdown
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus

ARTIKEL ZUM THEMA

Lockerungen in Schleswig-Holstein: Kunst und Kommerz gehen wieder

Kurz vor Ostern lockert Schleswig-Holstein Coronabeschränkungen. Die Opposition kritisiert den „Zickzack-Kurs“ der Jamaika-Regierung.

Koalition kritisiert Corona-Lockerungen: Ruf nach der Notbremse

Aus der rot-rot-grünen Koalition wird Kritik an den Senatsbeschlüssen laut. Grünen-Spitzenkandidatin Jarasch will längere Schulferien prüfen lassen.

Aktuelle Nachrichten in der Coronakrise: Länderchef:innen verteidigen sich

Armin Laschet und andere Ministerpräsident:innen wollen bei ihrem Kurs bleiben. Angela Merkel hatte Nachlässigkeit beklagt. Das RKI meldet knapp 10.000 Neuinfektionen.

Aktuelle Nachrichten in der Coronakrise: Sieben-Tage-Inzidenz steigt auf 125

CDU-Vize Stroble fordert einen allumfassenden Lockdown. Intensivmediziner:innen appellieren an die Politik. Brandenburg führt die Luca-App ein.

Corona-Beschlüsse für die Ostertage: Augen zu und durch den Lockdown

Die neuen Corona-Maßnahmen suggerieren eine Entschlossenheit, die den Ministerpräsident:innen der Länder fehlt. Die Beschlüsse sind dürftig.

Schulöffnungen und Lockdown: Auf oder zu?

Die dritte Coronawelle kommt über Deutschland, aber für einen Lockdown gibt es keinen Fahrplan. Streitpunkt sind die Inzidenzzahlen.