taz.de -- Streit übers Lieferkettengesetz: CSU frustriert, SPD sauer

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) blockiert weiterhin das Lieferkettengesetz. Jetzt droht die SPD mit der Anrufung des Koalitonsausschusses.
Bild: Frustriert: Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) beklagt die Blockade des Lieferkettengesetzes

Berlin taz | Ziemlich frustriert äußerte sich Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) an diesem Mittwoch im Entwicklungsausschuss des Bundestages. Er beklagte die Blockade des Lieferkettengesetzes durch das Bundeswirtschaftsministerium und dessen Chef, Peter Altmaier (CDU). Dort sei keine Kompromissbereitschaft zu erkennen.

Müller und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) befürworten [1][ein Gesetz], das hiesige Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen in ihren ausländischen Zulieferfabriken haftbar macht. Seit Monaten verhandeln die Spitzen der Ministerien erfolglos. Bundeskanzlerin Angela Merkel will demnächst mit den beteiligten Ministern persönlich sprechen. Frank Schwabe, SPD-Sprecher für Menschenrechte, kündigte an, man werde das Thema „in den Koalitionsausschuss“ zwischen Union und SPD bringen, wenn es nicht schnell zu einer Einigung komme. Der Ausschuss ist das höchste Gremium der Koalition zur Konfliktschlichtung.

Umstritten ist vor allem die von Müller und Heil geplante Haftung der Unternehmen. Hiesige Händler und Produzenten müssten sich dann eventuell vor deutschen Gerichten verantworten, wenn es zu Unfällen oder Schäden in deren Zulieferfabriken kommt. Geschädigte ausländische Arbeiter:innen oder Bäuer:innen könnten Klagen einreichen.

Der Handelsverband HDE befürchtet, dass „ein nationales Lieferkettengesetz die Händler überfordert“. [2][Andere Wirtschaftsverbände kritisieren das Vorhaben ebenfalls.] Das Wirtschaftsministerium versucht nun unter anderem die Haftung aus dem Gesetz zu streichen. Der Grünen-Entwicklungspolitiker Uwe Kekeritz sagte: „Ohne zivilrechtliche Haftung kann man sich das Gesetz schenken, denn dann wird es keine Wirkung entfalten.“ Zahlreiche Unternehmen plädieren ebenfalls für das Gesetz, ebenso wie der Bundesverband der Verbraucherzentralen.

In der Schweiz findet an diesem Sonntag eine [3][Volksabstimmung] über die „Konzernverantwortungsinitiative“ statt. Votiert die Mehrheit der Stimmbürger:innen und Kantone dafür, müssten Unternehmensverantwortung und Haftung in der Schweizer Verfassung aufgenommen werden.

26 Nov 2020

LINKS

[1] /Eckpunkte-fuer-Lieferkettengesetz/!5697309
[2] /Verbandspraesident-zum-Lieferkettengesetz/!5708163
[3] /Demokratie-und-Konzerne-in-der-Schweiz/!5727257

AUTOREN

Hannes Koch

TAGS

Lieferketten
Peter Altmaier
Hubertus Heil
Welthandel
Lieferketten
Lieferketten
Lieferketten

ARTIKEL ZUM THEMA

Ökonom zu Lieferkettengesetz: „Das ist eine Frage des Anstands“

Das Lieferkettengesetz soll Menschenrechte sichern – und überfordert weder Mittelstand noch Exporteure, sagt der Wirtschaftsweise Achim Truger.

Verbandspräsident zum Lieferkettengesetz: „Eine praxisferne Vorstellung“

Firmenchef und VDMA-Präsident Martin Welcker lehnt die Gesetzesinitiative zu Lieferketten ab. Unfälle bei Zulieferern könnten Unternehmen nicht ausschließen.

Verantwortung für Lieferketten: Altmaier bremst Gesetz aus

Zulieferfabriken sollen die Menschenrechte einhalten. Doch allzu weit soll die Verantwortung der Unternehmen nicht gehen, fordert das Wirtschaftsministerium.

Widerstand gegen Lieferkettengesetz: Betriebswirtschaftlich blind

Die Wirtschaft sträubt sich, Verantwortung für die Lieferketten zu übernehmen. Das ist nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich falsch.