taz.de -- Immobilienmarkt in Berlin: Von wegen „kleine Leute“
Viele Berliner Immobilien gehören Finanzmarktprofis. Wer das Grundrecht auf Wohnen will, muss die Eigentumsverhältnisse kennen.
Der Immobilienmarkt ist außer Rand und Band. Das weiß sogar Uroma Erna in ihrer Wohnung ohne Internetanschluss in Villingen-Schwenningen. Menschen, die in den letzten Jahren in einer Großstadt eine Mietwohnung gesucht haben, wissen es erst recht.
In Berlin soll der von Rot-Rot-Grün implementierte [1][Mietendeckel dem entfesselten Markt Einhalt gebieten]. Vor allem CDU- und FDP-Politiker*innen haben sich bislang daran aufgerieben, als würde man ihnen ihre Eigentumswohnung am Savignyplatz wegnehmen wollen. Solche Maßnahmen brächten die den Berliner Wohnungsmarkt dominierenden Kleinvermieter*innen um ihre Rente, lautet ihr Mantra. Diesen Mythos [2][widerlegt nun eine Studie der Linke-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung].
Berlin gehört laut der Studie fast zur Hälfte Finanzmarktprofis. Allein börsennotierten Unternehmen wie der Deutsche Wohnen, Investmentfonds und Banken gehören laut der Studie 16,5 Prozent der Immobilien in Berlin. Dazu kommen private Großgrundbesitzer, die zum Teil [3][mehrere Tausend Wohnungen besitzen] und dafür bekannt sind, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln [4][oder die Mieten nach Sanierung auf ein Vielfaches zu erhöhen].
Außerdem mischen Private-Equity-Unternehmen wie die US-amerikanische Firma Blackstone ordentlich mit. Blackstone [5][verschleiert erst gar nicht, was sein oberstes Ziel ist]: möglichst viel Kohle machen. In Berlin haben solche Firmen in den letzten Jahren teilweise mehr als 20 Prozent Rendite eingefahren.
Vormieterin Waltraud kann ja ins Altersheim ziehen
Was ist schon dabei, könnte man denken: Manche Menschen verdienen ihr Brot damit, unter Einsatz ihrer Gesundheit komatöse [6][Covid-19]-Patient*innen zu waschen oder Lebensmittel über die Autobahn zu karren. Andere finanzieren ihre Austern damit, ein Haus in Berlin-Mitte zu kaufen, und das lichtdurchflutete Apartment im Vorderhaus für ein paar Milliönchen an Uli aus München zu verscherbeln. Vormieterin Waltraud kann ja ins Altersheim ziehen.
Die Studie ändert nichts daran. Aber sie liefert Argumente dafür, den Immobilienmarkt zu regulieren und Eigentümer*innenverhältnisse transparent zu machen – nicht nur in der Hauptstadt. Dann wüssten Mieter*innen zumindest, für wessen Villa an der Côte d’Azur sie bei der Wohnungssuche ihren Arbeitsvertrag offenlegen, sich mit 500 anderen Verzweifelten durch die Besichtigung quälen oder die Niere ihrer Schwester verkaufen.
13 Nov 2020
LINKS
=> http://xn--Was%20weie%20Menschen%20nicht%20ber%20Rassismus%20hren%20wollen%20aber%20wissen%20sollten:%20aber%20wissen%20sollten-hch26srp [1] http://xn--Was%20weie%20Menschen%20nicht%20ber%20Rassismus%20hren%20wollen%20aber%20wissen%20sollten:%20aber%20wissen%20sollten-hch26srp
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
... oder wie Vermieter das Mietendeckel-Gesetz umgehen und brechen. Vier Beispiele für eine schamlose Praxis.
Ein Eilantrag zur Aussetzung der zweiten Stufe des Mietendeckels wurde vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt.
Karlsruhe verhandelt einen Eilantrag gegen den Mietendeckel. Eine Entscheidung sei aber nicht nicht gefallen, heißt es.
Diese Woche kann man wieder beobachten, wie in Berlin alte Gemeinschaften zerdeppert werden, um vermeintlich bessere Gemeinschaften zu schaffen.