taz.de -- Studie zu Corona-Desinformationen: Facebook ist Superspreader

Das Netzwerk Facebook ist das größte Problem bei der Verbreitung von Desinformationen. Leider sind Journalist:innen auf die Plattform angewiesen.
Bild: Superspreader unter sich: Querdenker bei einer Kundgebung Anfang Oktober am Bodensee

Es ist ja immer wieder schön, wenn das eigene Bauchgefühl wissenschaftlich unterfüttert wird. Weniger schön ist allerdings das Thema. [1][Es geht um Corona und Fake News]. Dass hier die sozialen Netzwerke, vor allem Facebook, eine entscheidende Rolle spielen, ist längst nicht mehr nur so eine Ahnung. Laut [2][einer jetzt veröffentlichten Studie] des International Center for Journalists (ICFJ) und des Tow Center for Digital Journalism an der Columbia-Universität New York ist Facebook weltweit der Superspreader von Desinformation über Covid-19.

Für die seit April laufende Studie wurden über 1400 auf Englisch veröffentlichende Journalist*innen aus 125 Ländern befragt. 80 Prozent von ihnen sehen sich bei ihrer Arbeit laufend mit Fake News konfrontiert. Für zwei Drittel der Befragten ist Facebook in dieser Hinsicht der schlimmste Finger. Nun könnte man sagen: Weiß doch jedeR. Doch das Problem liegt tiefer. Denn über ein Drittel der Journalist*innen sagt gleichzeitig, sie seien mehr denn je auf Facebook und andere soziale Netzwerke angewiesen, um überhaupt an ihr Publikum heranzukommen.

Diesen Teufelskreis gibt es auch gleich noch doppelt. In der Pandemie ist nämlich die Abhängigkeit der Medien von den Ansagen und Maßnahmen offizieller Stellen, Behörden und der Politik ebenfalls gestiegen. Doch 46 Prozent der Befragten der ICFJ-Studie sagen, ausgerechnet Politiker*innen und andere offizielle Stellen seien „Top-Quellen für Desinformation“. Donald Trump ist also nicht allein. Außerdem sind das sind in erster Linie Ansagen aus einer englischsprachigen Medienwelt, in der die schlimmsten Schurkenstaaten in Sachen Pressefreiheit und Zensur nicht mal vorkommen.

Dazu passt leider auch, dass sich immerhin jedeR fünfte in der ICFJ-Studie befragte Journalist*in im Zusammenhang mit der Pandemie auch heftigeren Online-Angriffen und Hass als Reaktion auf die eigene Berichterstattung ausgesetzt sieht.

Um so dringlicher ist, dass Facebook & Co. endlich ernst machen und selbst energischer gegen Desinformationsspreader und Verschwörungsmaschinen in ihren Diensten vorgehen. Facebook und Instagram haben immerhin letzte Woche angekündigt, künftig alle Seiten und Gruppen zu löschen, [3][die Verbindungen zur rechtsextremen QAnon-Bewegung haben]. Das kann aber nur ein Anfang sein und ist wahrscheinlich too little, too late. Facebook und Instagram jetzt auch noch für diese Notbremsung zu loben, ist jedenfalls überhaupt nicht angebracht. Schließlich haben sie die längste Zeit der Verbreitung der absurd-bizarren Verschwörungstheorien Vorschub geleistet. Und zumindest das Baugefühl sagt, sie tun es in viel zu vielen anderen Bereichen immer noch.

15 Oct 2020

LINKS

[1] /Twitter-gegen-Falschmeldungen-um-Corona/!5681876
[2] https://www.icfj.org/news/new-global-survey-raises-red-flags-journalism-covid-19-era
[3] /Facebook-verbannt-QAnon-Gruppen/!5716259

AUTOREN

Steffen Grimberg

TAGS

Kolumne Flimmern und Rauschen
Desinformation
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Meta
USA
Kolumne Flimmern und Rauschen
Schwerpunkt Meta
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus

ARTIKEL ZUM THEMA

Klagewelle gegen Netzwerk in den USA: Facebook droht Zerschlagung

Die US-Regierung und fast alle Bundesstaaten gehen juristisch gegen Facebook vor. Der Vorwurf: Der Konzern habe illegale Monopole geschaffen.

Wahlempfehlung von Zeitung „USA Today“: Jetzt mit Arsch in der Hose

Noch nie hat die Tageszeitung „USA Today“ eine Wahlempfehlung gegeben, obwohl das dort üblich ist. Nun bricht das Blatt mit seiner Tradition.

Facebook verbannt QAnon-Gruppen: Das Hausrecht zu spät genutzt

Facebook will in Zukunft stärker gegen Anhänger*innen der QAnon-Verschwörungsbewegung vorgehen. Das wird nicht ausreichen.

Fake News in Lateinamerika und Corona: Strategie gegen das Chaos

In der Coronapandemie werden in Lateinamerika besonders viele Fake News verbreitet. Redaktionen gehen grenzüberschreitend dagegen vor.

Twitter gegen Falschmeldungen um Corona: Gangbarer Mittelweg

Ignorieren ist keine Option: Twitter will irreführende Nachrichten über die Coronapandemie mit Warnhinweisen versehen.