taz.de -- In Indien erreicht Corona das Hinterland: Rekord an Neuinfektionen
Die Zahl der in Indien täglich gemeldeten Coronafälle steigt. Doch die Entwicklung ist uneinheitlich und wird jetzt noch vom Monsun beeinflusst.
Mumbai taz | Indien hat am Montag mit mehr als 40.000 bestätigten Neuinfektionen mit dem Coronavirus einen weiteren Rekordwert für einen einzelnen Tag gemeldet. Der Anstieg erhöhte die offizielle Zahl der bislang Infizierten auf 1,11 Millionen, den nach den USA und Brasilien [1][dritthöchsten Wert der Welt]. Die Zahl der Toten in Indien im Zusammenhang mit dem Virus stieg auf 27.497.
Indiens [2][Gesundheitsministerium] erklärte am Sonntag, dass trotzdem die Covid-19-Sterberate wegen effektiver Eindämmungsstrategie und forcierter Tests sinke. Zuletzt lag sie bei 2,49 Prozent. Damit ist sie – auch weil Indiens Bevölkerung sehr jung ist – deutlich niedriger als die von Deutschland, wo sie bei 4,5 Prozent liegt.
In dem südasiatischen Land mit 1,4 Milliarden Menschen wurden bisher mehr als 14 Millionen Coronatest durchgeführt und damit fast 10.000 Test pro eine Million Einwohner. Täglich würden inzwischen mehr als 300.000 Proben untersucht, während es im März nur wenige Hundert gewesen seien, erklärte der Rat für medizinische Forschung, Indiens führendes Gremium auf diesem Gebiet, laut dpa.
In weniger als zwei Monaten ist die Gesamtzahl der Infizierten von 100.000 auf mehr als eine Million gestiegen. Die Neuinfektionen bremsen die Pläne zur Wiederbelebung der Wirtschaft. Der Erreger breitet sich inzwischen verstärkt in kleineren Städten und ländlichen Gebieten aus.
Die Lage in Mumbai entspannt sich langsam
Die Lage in der Wirtschafts- und Finanzmetropole Mumbai, die früh von der Pandemie betroffen war, entspannt sich langsam. Selbst im dortigen Megaslum [3][Dharavi] ist die Infektionsrate stark zurückgegangen, nicht aber in der Metropolregion und der nächstgelegenen Großstadt Pune. Die wurde wie die Softwaremetropole Bangalore nach einem Anstieg der Fallzahlen wieder unter die anfänglichen Restriktionen gestellt.
Trotz der angespannten Situation zeigen Kündigungen und Streiks, dass GesundheitsmitarbeiterInnen in verschiedenen Regionen des Landes teilweise nicht bezahlt wurden. [4][Unterdessen werden für Medikamente, die zur Behandlung von Covid-19 eingesetzt werden wie Remdesivir und Tocilizumab, auf dem Schwarzmarkt Höchstpreise verlangt.]
Regionalregierungen wie in Maharashtra hoffen dies durch die rasche Produktion von Medikamenten „Made in India“ auszugleichen. Remdesivir, das zur Behandlung von Ebola entwickelt wurde, wurde bisher vor allem aus dem Nachbarland Bangladesch bezogen.
Monsun setzte viel früher ein als vorhergesagt
Der Kampf gegen die Corona-Pandemie wird jetzt noch durch die inzwischen eingesetzte Regenzeit erschwert. Der diesjährige Monsun erreichte Indien zwölf Tage früher als vorhergesagt. Die Niederschläge sind wichtig für die Landwirtschaft und damit sich natürliche Wasserreservoirs wieder füllen. Doch zwischen Juni und September kommt es neben teils sehr heftigen Schauern immer wieder zu verheerenden Fluten und Gewittern.
Allein im nordöstlichen Bundesstaat Assam sind derzeit mehr als zwei Millionen Menschen von Überschwemmungen betroffen. Dort starben laut der [5][Times of India] bisher 85 Menschen in den Fluten, nachdem der Brahmaputra über die Ufer getreten ist.
20 Jul 2020
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Eine Schule in Südindien macht während der Pandemie Unterricht mit 3-D-Animationen. Der Hauptheld mehrerer Videos ist ein Elefant – das kommt gut an.
Die Zahl der täglich neu festgestellten Infektionen steigt weiter. Grund seien Reisen und Partys, so das Robert-Koch-Institut. Durch mehr Tests werden mehr Fälle erkannt.
Starke Fluten zur Regenzeit sind in Indien normal geworden. Der Sozialwissenschaftler Mirza Zulfiqur Rahman kritisiert: Die Regierung reagiert falsch.
Zum Opferfest gehört das Schlachten einer Ziege. Die sind in der Pandemie schwer aufzutreiben. In Indien versuchen sich Händler am Online-Vertrieb.
In Indien regnet es pausenlos. Tausende Dörfer sind bereits überschwemmt. Das erschwert den Kampf gegen Corona.
Unter einem Anti-Terror-Gesetz werden in Indien immer wieder kritische Zeitgenossen verhaftet – so auch der Dichter Varavara Rao.
Für ihr Engagement gegen ein diskriminierendes Staatsbürgerschaftsgesetz wurde Safoora Zargar inhaftiert – vermutlich unschuldig.
Alle sind verliebt in die Totapuri aus dem Süden, die Dasheri aus dem Norden und besonders in die Alphonso. Trotz Corona.
Amartya Sen forscht seit Jahrzehnten über wirtschaftliche Ungleichheit. Der Deutsche Buchhandel ehrt den indischen Philosophen mit dem Friedenspreis.